SGKB Investment views: Die US-Wahlen werfen ihre Schatten voraus
St. Gallen – Anfang November wählen die Amerikaner ihren Präsidenten und grosse Teile des Kongresses. Obschon der Wahlkampf coronabedingt noch nicht so richtig angelaufen ist, häufen sich die Fragen, welche Auswirkungen die US-Wahlen auf die Finanzmärkte haben werden. Wie die Wahl ausgehen wird, ist noch offen, da in den nächsten drei Monaten noch viel passieren kann. Dennoch lassen sich mögliche Szenarien skizzieren.
Der schlechteste Fall für die USA und für die Finanzmärkte wären chaotische Zustände nach der Wahl, beispielsweise wenn Donald Trump eine Niederlage nicht eingestehen und seine Anhänger zum Widerstand aufrufen würde. In einem solchen Fall sind wochenlange Justizverfahren gegen angebliche Wahlmanipulationen möglich. Die damit verbundene Unsicherheit, verbunden mit einer wirtschaftlich labilen Situation, wäre Gift für die Anleger und die Aktienmärkte.
Eine Widerwahl Trumps wäre im ersten Moment für die Aktienmärkte ein positives Signal, da die Unternehmen auf weitere Steuersenkungen hoffen könnten. Längerfristig wäre der Ausgang aber nachteilig, da sich Trump in seiner aggressiven Handelspolitik bestätigt fühlen würde.
Unwahrsheinliche Umsetzung von Extrempositionen
Ein kompletter Erfolg der Demokraten mit Joe Biden als Präsident und soliden Mehrheiten in beiden Kongresskammern würde von den Finanzmärkten in der ersten Reaktion negativ aufgenommen werden. Die Befürchtung bei den Anlegern wäre hoch, dass die Demokraten die Gunst der folgenden zwei Jahre bis zur nächsten Wahl nutzen würden, um die Wirtschaft stark zu regulieren und mit Steuererhöhungen ihre sozialen Vorhaben zu finanzieren. Andererseits hatten die Demokraten auch 2008 nach der Finanzkrise solide Mehrheiten und haben diese wirtschaftsfördernd und ohne Extrempositionen eingesetzt.
Der beste Wahlausgang für die Börsen wäre ein klarer Sieg von Joe Biden bei einer gleichzeitigen Verteidigung der Mehrheit im Senat für die Republikaner. Damit würde wieder mehr Verlässlichkeit in das Weisse Haus einziehen. Allzu progressive Vorhaben der neuen Regierung hätten aber keine Chance, vom Senat gebilligt zu werden. In dieser Konstellation besteht natürlich die Gefahr einer völligen Blockade für notwendige Reformvorhaben. Der Hauptfokus der neuen Regierung und auch des Kongresses wird jedoch die Erholung der Wirtschaft aus der Corona-Rezession sein, weshalb die Wahrscheinlichkeit für Kompromisse hoch ist.
Fokus auf wirtschaftliche Erholung
Der Ausgang der Wahl als solcher wird keinen nachhaltigen Einfluss auf die Finanzmärkte haben, ausser er löst die dargelegten chaotischen Zustände aus. Das Hauptziel der nächsten Jahre wird der Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Corona-Krise sein. Dafür wird das Weisse Haus bei einer Regierung unter Joe Biden, die aus heutiger Sicht wahrscheinlich ist, die notwendigen Signale für eine Entspannung in der Handelspolitik aussenden und neue Infrastrukturinvestitionen anstossen. Der Kongress wird die dafür notwendigen Gelder zur Verfügung stellen. Gleichzeitig wird die Fed mit Nullzinsen und zusätzlichen Käufen von Anleihen das ihrige für ein wirtschaftsfreundliches Umfeld beitragen. Auftretende Blockadeversuche von parteiblinden Republikanern und allzu aggressive Umverteilungswünsche des linken Randes der Demokraten sollten überstimmt werden können. Daher stehen die Chancen gut, dass die nächsten Jahre von einer zwar langsamen, aber stetigen Erholung der Wirtschaft geprägt sein werden, ähnlich wie in den Jahren nach der Finanzkrise. Dass die wirtschaftliche Erholung effektiv eintritt, ist für die Finanzmärkte wichtiger als die Frage, wer im Weissen Haus und wer im Capitol sitzt. (SGKB/mc/ps)