Von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank
St. Gallen – Die Freude, mit sicheren Franken-Obligationen eine ansprechende Rendite erzielen zu können, war von kurzer Dauer. Die Renditen liegen nicht mehr bei 2% wie noch vor einem Monat, sondern eher im Bereich von 1.5%. Das lässt das Anlegerherz nicht mehr jubeln und erfüllt die erforderliche Rendite vieler institutioneller Anleger nicht. Deshalb sind wieder Alternativen gefragt, mit denen man mehr verdienen kann. An den AT1-Anleihen hat man sich schon die Finger verbrannt, die kommen nicht mehr in Frage. High Yield-Anleihen will man auch nicht, da bei einer Rezession die Ausfallraten der Emittenten steigen. Also greift man bei den Emerging Market Bonds in Hard Currency zu. Entsprechende ETF rentieren weit über 8%. Sichert man das US-Dollar-Risiko gegen Franken ab, bleiben immer noch fast 5% Rendite und das bei einer Anlage in Staatsanleihen, nicht in exotischen Währungen, sondern in harten US-Dollars. Kein Wunder, ist diese Anlageklasse bei vielen Investoren so beliebt.
Vielleicht sollte man sich vor dem Kauf aber doch damit befassen, in was man eigentlich investiert. Im Bloomberg Emerging Marktes USD Bond Index hat Saudi-Arabien mit einem Anteil von 9.2% das grösste Gewicht. Die Ölländer rund um den Persischen Golf machen zusammen einen Fünftel des Portfolios aus. Ob das mit den Nachhaltigkeits-Bemühungen vereinbar ist, die man so gerne ins Schaufenster stellt, darf zumindest hinterfragt werden. Im Ranking der Gewichtung folgt hinter Saudi-Arabien an zweiter Stelle die Türkei mit 8.5% und danach Indonesien mit 7.4%. Beide Länder gelten nicht als Hort der wirtschaftlichen Stabilität. Nicht zu vergessen die Länder in Südamerika, welche wie Venezuela und Argentinien unter einer miserablen Wirtschaftslage leiden und politisch instabil sind.
Schwellenländeranleihen in US-Dollar
Dass diese Anleihen in vertrauenswürdigen US-Dollars denominiert sind, ist nur Augenwischerei. Im Gegenteil: Die Schulden in fremder Währung sind das grosse Damoklesschwert der Schwellenländer. Wirtschaftliche Krisen werden meistens dadurch ausgelöst, dass die Zahlungen in US-Dollar nicht mehr geleistet werden können, weil die eigene Währung stark an Wert verloren hat. Die Kosten der Zinsen, die sie für die Dollar-Anleihen bezahlen muss, haben sich für die Türkei in den letzten fünf Jahren aufgrund der Abwertung der Türkischen Lira fast versechsfacht. Argentinien muss im Vergleich zu 2018 das neunfache bezahlen. Zumindest konnten die erwähnten Ölländer ihre Währung zum US-Dollar in einem engen Band halten. Dazu kommen die politischen Risiken, einerseits durch die oft instabile Lage in den Ländern, andererseits durch die latente Gefahr von Sanktionen durch die USA. So wurden die russischen Anleihen nach dem Einmarsch in die Ukraine praktisch wertlos erklärt und aus dem Index gestrichen.
Es bleibt dabei: zusätzliche Rendite = zusätzliches Risiko
Dass man auf einem Teil des Obligationenportfolios mehr verdienen will als auf Franken-Obligationen, ist verständlich. Dass das nicht ohne zusätzliche Risiken geht, scheint aber oft vergessen zu werden. Diese Risiken einzuschätzen, ist eine zentrale Aufgabe beim Investieren. Bei den AT1-Anleihen ist es die Konzentration auf den Bankensektor und das Kleingedruckte in den Prospekten. Diese Risiken kann man eingehen wollen oder nicht. Bei den High Yield-Anleihen ist es das Kreditrisiko der Emittenten. Mit einer guten Diversifikation der Schuldner, beispielsweise über breit diversifizierte Kollektivgefässe, kann das Kreditrisiko in einem vernünftigen Rahmen gehalten werden. Bei Anleihen aus den Emerging Markets ist es dagegen schwierig, die Übersicht über die unterschiedlichen Risiken zu behalten. (SGKB/mc/ps)