Von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank
St. Gallen – Fed-Präsident Powell und seine Kolleginnen und Kollegen sprechen schon lange von der Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen. So richtig ernst nahmen die Finanzmärkte sie jedoch nicht. Sollen sie doch die Zinsen im ersten Quartal noch etwas erhöhen, aber dann geht es ab dem Sommer mit raschen Zinssenkungen weiter, so die Marktmeinung. Die SNB sagt bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass die Inflation in der Schweiz zu hoch sei und die Gefahr von Zweirundeneffekten gross ist. Dennoch gingen fast alle Analysten davon aus, dass bei einem Leitzins von 1.25% oder dann spätestens bei 1.50% mit Zinserhöhungen der SNB Schluss ist.
Seit zwei Wochen hat der Wind gedreht. Etwas höhere Inflationsraten und gute Arbeitsmarktdaten haben genügt, dass an den Finanzmärkten die geldpolitische Gelassenheit der Angst vor starken Zinserhöhungen Platz gemacht hat. Prognosen für Fed-Zinsen über 6% machten wieder die Runde, bevor der Konkurs der Silicon Valley Bank bekannt wurde. Aktuell beläuft sich das Zielband von 4.504.75%. An der nächsten Sitzung am 22. März wird nicht ausgeschlossen, dass die Fed ihr Erhöhungstempo von zuletzt 0.25% pro Schritt wieder beschleunigt und den Leitzins um 0.50% anhebt. Von der SNB wird am Tag darauf ein Zinsanstieg von mindestens 0.50% auf 1.50% oder sogar 1.75% erwartet. Ende Jahr soll der SNB-Zins bei 2.50% sein. Die Argumente dafür sind neben einer Inflationsrate von 3.4% immer höher erwartete Zinsen in der Eurozone.
Inverse Zinskurve
Auffallend ist, dass neben den Zinserwartungen an die Zentralbanken vor allem die Rendite von Anleihen mit kurzen Laufzeiten unter fünf Jahren steigen, während die Renditen zehnjähriger Anleihen die Bewegung nur teilweise mitmachen. Als Folge davon nimmt die Inversion der Zinskurve zum Teil absurde Züge an, insbesondere in den USA und in Kanada, aber auch in der Eurozone. In der Schweiz ist die Zinskurve nun ebenfalls leicht invers. In unserem Land ist das eine Seltenheit. Allein mit der Prognose einer starken Rezession lassen sich solche Zinskurven nicht mehr erklären. Vielmehr scheint viel Geld auf der Suche nach der geldpolitischen Orientierung zu sein.
Dass die Inflationsraten nicht so schnell sinken wie erhofft, ist keine Überraschung. Die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen ist nach wie vor hoch. Es gelingt vielen Unternehmen immer noch, die höheren Kosten über Preiserhöhungen weiterzugeben. Die Zinserhöhungen des letzten Jahres werden ihre bremsende Wirkung auf die Konjunktur mit der üblichen Verzögerung erst in den nächsten Monaten entfalten. Dann wird sich die Abschwächung, welche bisher vor allem in der Industrie zu erkennen ist, auf die anderen Sektoren ausbreiten. Zudem ist in der Schweiz das Zinsniveau mit 1.00% noch nicht im Bereich, der konjunkturbremsend ist.
Vorsichtige nächset Schritte derZentralbanken
Dennoch werden die Zentralbanken jetzt nicht auf Teufel komm raus die Zinsen anheben. Sie müssen die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt schwächen, um den Inflationsdruck zu reduzieren. Der Grat zwischen nötiger Abschwächung und dem Fall in die Rezession ist aber schmal. Entsprechend macht es Sinn, nach dem schon starken Zinsanstieg im Vorjahr bei den weiteren Zinserhöhungen vorsichtiger vorzugehen, wie die Fed das bereits getan hat.
Ich habe meine Zinserwartung an die SNB nicht verändert. Eine Erhöhung des Leitzinses um 0.50% Ende März ist aus meiner Sicht angebracht. Mehr wäre angesichts der zwar wieder höheren, aber im internationalen Vergleich doch kontrollierten Inflationsentwicklung in der Schweiz übertrieben. Das Top der SNB-Zinsen sehe ich im Sommer bei 2.00% erreicht. Die aktuellen Markterwartungen überschiessen. Für eine neue Lagebeurteilung warte ich den geldpolitischen Entscheid der SNB am 23. März ab, wobei mich vor allem die neue Inflationsprognose für die Jahre 2024/25 interessieren wird. (SGKB/mc/ps)