St. Gallen – Die Inflationsraten bleiben in den Industrieländern tief, in der Schweiz mit -0.8% gar im deflationären Bereich. In ihrer Inflationsprognose erwartet die Nationalbank für Mitte 2023 eine Inflationsrate von lediglich 0.5%, trotz ihrer expansiven Geldpolitik und den Negativzinsen.
Angesichts der noch nie dagewesenen Flutung der Wirtschaft mit Geld durch Zentralbanken und Staaten wittern die Warner vor der Inflation aber Morgenluft. Unterstützung bekommen sie durch den Anstieg der Inflationserwartungen in den USA. Die aus den Marktpreisen inflationsgeschützter Anleihen abgeleitete erwartete zukünftige Inflation ist in den letzten Monaten von 1.5% auf 2.0% gestiegen. Die US-Konsumenten erwarten in diesem Jahr gar eine Teuerung von 3.0%. Dieser Anstieg der Inflationserwartungen hat dazu geführt, dass die Rendite des 10-jähringe US-Treasury wieder mehr als 1% beträgt. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es in den nächsten Jahren zu einem veritablen Inflationsschub kommen wird.
Mit ihren Quantitative Easing-Programmen haben die Zentralbanken die Geldmenge während der Corona-Pandemie noch einmal kräftig erhöht. Das gilt auch für die SNB, die im letzten Jahr über Devisenmarktinterventionen 100 Mrd. Franken zusätzlich ins System gepumpt hatte. Mit diesem Geld haben sie erreicht, dass die Zinsen tief blieben, die Finanzmärkte jederzeit gut funktionierten, in der Eurozone keine Diskussion um die Bonität der schwachen Euroländer wie Italien aufkam oder die Aufwertung des Frankens zum Euro ausblieb. In Form zusätzlicher Kredite an Unternehmen floss das Geld aber nur ansatzweise. Es blieb grösstenteils in Form höherer Guthaben der Banken bei der Zentralbank selber liegen. Das viele Geld alleine wird die Inflation nicht ankurbeln.
Direkte Unterstützung der Konsumenten, Deglobalisierung
Eine zweite Argumentationskette für eine stark ansteigende Inflation basiert auf den staatlichen Hilfsprogrammen. Anders als das Geld der Zentralbanken werden diese Mittel direkt an die Konsumenten und Firmen vergeben und könnten für den Konsum oder Investitionen verwendet werden. In einer unsicheren Zeit halten sich die Leute und die Firmen mit Geld ausgeben aber zurück, wie die hohe Sparquote und die schleppenden Investitionen zeigen. Es ist möglich, dass es nach der Corona-Pandemie zu einem Aufholeffekt kommen wird, wie das im letzten Sommer beim privaten Konsum ansatzweise zu sehen war. Sollte dieser stark ausfallen und sollte es in einigen Bereichen angesichts der gesunkenen Kapazitäten zu Engpässen kommen, werden die Preise dort steigen, beispielsweise bei den Flugtickets. Das wird aber nicht genügen, um eine breite Welle von Preiserhöhungen quer durch das Güterangebot auszulösen.
Ein drittes Argument ist das Ende der Globalisierung und die verstärkte Rückkehr zu heimischer Produktion, verbunden mit höheren Kosten. Die Unternehmen werden ihre globale Produktionsketten sicherlich überdenken und anpassen. Neben den möglichst tiefen Kosten wird die Sicherheit der Lieferkette eine grössere Rolle spielen als bisher. Der Kostendruck wird aber anhalten, insbesondere im Bereich der Konsumgüter. Durch den durch die Pandemie ausgelösten Schub im Online-Handel wird er wahrscheinlich sogar grösser werden. Die Lippenbekenntnisse zu mehr Produktion in der teuren Schweiz oder im teuren Westeuropa sind rasch vergessen, wenn sich die Konkurrenz mit tieferen Preisen Wettbewerbsvorteile verschafft. Zudem wird der Kostendruck auf die Löhne in den Industrieländern drücken, was dem privaten Konsum und damit der Nachfrage nach Gütern nicht förderlich ist.
Moderater Anstieg der Inflation
Die Inflationsraten werden nach dem Ende der Corona-Pandemie ansteigen. Das ist gut so, denn aktuell sind sie zu tief. Es wird aber nicht zu einem allgemeinen Gefühl kommen, dass alles teurer wird. Eine solche Angst vor der Geldentwertung wäre schwierig zu stoppen und eine wichtige Grundvoraussetzung für einen schmerzhaften Inflationsschub, der über deutliche höhere Zinsen die Wirtschaft und die Finanzmärkte ins Wanken bringen würde. (SGKB/mc/ps)