St. Gallen – Das zukünftige Kabinett von Joe Biden nimmt Formen an. Es wird in zentralen Funktionen mit Leuten besetzt sein, die auf ihrem Gebiet über eine langjährige Erfahrung verfügen. Es sind Leute, die in der Lage sind, das von der Administration Trump zerbrochene Geschirr zu kitten. In der Sache werden sie aber hart sein und auch in erster Linie die amerikanischen Interessen vertreten. Das gilt insbesondere im Verhältnis zu China. Aus den bisher bekannten Personalien sticht aus der Sicht der Finanzmärkte die Nomination von Janet Yellen als Finanzministerin hervor.
Spätestens seit ihrer Tätigkeit als Vorsitzende der Fed ist Janet Yellen nicht nur in der akademischen Welt, sondern auch an den Finanzmärkten eine weltweit respektierte und angesehene Person. Sie wird im globalen Kreis der Finanzminister vom ersten Tag an als kompetentes und anerkanntes Mitglied auftreten. Ihr wird die schwierige Aufgabe zufallen, die US-Wirtschaft aus der Corona-Rezession herauszuführen. Sie wird dabei von ihrer Erfahrung profitieren können, die sie nach der Finanzkrise 2008 als Vizepräsidentin der Fed gemacht hat.
Konstellation wie 2008
Damals gab es eine ähnliche Konstellation. Präsident Obama wählte mit Timothy Geithner einen Finanzminister, der vorher bei der Fed tätig war. Zusammen mit Fed-Präsident Ben Bernanke setzte er eine Mischung zwischen expansiver Geldpolitik und staatlichen Unterstützungsprogrammen um, die es den USA erlaubten, rasch wieder zu einem soliden Wachstum zurückzufinden. Diese Politik war nicht unumstritten, auch innerhalb der Fed nicht. Es gab einen Richtungsstreit zwischen den «Hawks», die durch die QE-Programme der Fed einen Anstieg der Inflation befürchteten und den «Doves», die die Bekämpfung der Rezession in den Vordergrund stellten. Janet Yellen war dabei eine der Wortführerinnen der «Doves». Sie war aber auch diejenige, die 2015 mit der ersten Zinserhöhung und später mit der Reduktion der Fed-Bilanz die geldpolitische Normalisierung in den USA einleitete.
Erholung der US-Wirtschaft als oberste Priorität
Wichtig wird dabei wiederum das Zusammenspiel zwischen Fed und Finanzministerium sein. Die Zentralbank wird die tiefen Zinsen und bei Bedarf zusätzliche Gelder in diese Kombination einbringen. Das Finanzministerium wird die geplanten Infrastruktur- und Aufbauprogramme auflegen und die Frage der Budgetdefizite auf später verschieben. Yellen wird dabei einem von den Republikanern dominierten Senat gegenüberstehen, der nach vier Jahren Geldausgeben wieder vor den überbordenden Schulden warnen wird. Es ist ihr jedoch zuzutrauen, dass sie gemässigtere republikanische Senatoren von ihren Plänen überzeugen kann.
Für die Finanzmärkte bedeutet das, dass die Zinsen in den USA und damit auch im Rest der Industrieländer tief bleiben werden, insbesondere bei den kurzen Laufzeiten. Die Renditen der Obligationen mit längeren Laufzeiten dürften im Zuge der sich erholenden Konjunktur dagegen etwas ansteigen. Die Aktienmärkte profitieren von den Impulsen für die Wirtschaft und von steigenden Gewinnen der Unternehmen. Der US-Dollar wird sich nicht stark bewegen. Gegenüber dem Euro und damit auch gegenüber dem Franken kann er sich von den aktuellen Tiefständen lösen, sobald das Wachstum in den USA anzieht. Grosse Sprünge in Richtung Parität zum Franken wird er aber kaum machen. (SGKB/mc/ps)