SGKB investment views: Muss man den Euro nun haben?

SGKB investment views: Muss man den Euro nun haben?
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Von Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank

St. Gallen – Der Euro hat positiv auf die Infrastrukturpläne von Friedrich Merz und die Rüstungsoffensive der EU reagiert. Dass das Ganze erst auf dem Papier steht und mit zusätzlichen Schulden finanziert wird, interessiert nicht. Vielmehr werden die wirtschaftlichen Impulse dieses fiskalpolitischen Tsunamis in den Vordergrund gerückt. Der Euro stieg zum Franken von 94 auf 96 Rappen. Gegenüber dem US-Dollar war der Kursanstieg der Einheitswährung mit fast 6% noch eindrücklicher. Die schnelle Bewegung hatte auch mit einem «Short Covering» von Investoren zu tun, die vom EuroSchub auf dem falschen Fuss erwischt wurden. Die zu erwartende Gegenbewegung hielt sich danach aber in Grenzen. Der Euro hält sich wacker.

Der Euro ist attraktiver geworden. Die Ausgabenprogramme in Deutschland können die wirtschaftliche Stimmung im wichtigsten Euroland verbessern. Das zeigt sich am ZEW-Index. Die aktuelle Situation wird immer noch schlecht beurteilt, die Erwartungen für die Zukunft haben aber deutlich ins Positive gedreht. Damit sind noch keine Investitionen getätigt. Die Wirkung eines positiven Stimmungsumschwungs darf jedoch nicht unterschätzt werden. Daneben gibt es auch handfestere Argumente für einen stärkeren Euro. Dazu gehören die höheren Renditen bei den Obligationen. In den meisten Euroländern ist die Rendite der 10-jährungen Staatsanleihe um rund 0.60% gestiegen. Renditen zwischen 2.80% in Deutschland und 3.80% für italienische Anleihen bieten eine positive Realrendite und sind nicht mehr viel tiefer als bei US-Dollar-Obligationen. Der fiskalpolitische Schub gibt der EZB zudem ein gutes Argument, ihren Zinssenkungszyklus in naher Zukunft zu beenden.

Euro-Anleihen als Alternative zu US-Treasuries
Die Schulden der Euroländer nehmen zu. Die 800 Mrd. Euro für die Rüstung und die 500 Mrd. Euro für die deutsche Infrastruktur sind kein Klacks. Zudem werden sich andere Euroländer sagen, was die Deutschen können, können wir auch. In der Wahrnehmung ist es eher positiv, dass sich alle zusätzlich verschulden. Das Programm der EU wird in der Öffentlichkeit als gemeinsame Schuldenaufnahme wahrgenommen, obschon das nur für einen kleineren Teil des Rüstungsprogramms gilt. Die Finanzmärkte zeigen nicht mit dem Warnfinger auf ein einzelnes Land. Die zusätzlichen Anleihen werden dazu führen, dass der Markt für Euro-Staatsanleihen liquider wird. Gerade die gemeinschaftlich gesicherten Anleihen der EU dürften für grosse staatliche Investoren oder für die Devisenreserven von Zentralbanken attraktiv sein. Sollten die von den Amerikanern im Rahmen des Mar-a-Lago Accord-Papiers in den Raum gestellten Strafgebühren für das Halten von US-Treasuries konkreter werden, dürften die Umschichtungen in die einzige Alternative mit genügend Liquidität zunehmen.

Konstruktionsmängel bleiben bestehen
Bei allen Argumenten für eine Eurostärke dürfen die grundlegenden Probleme der Eurozone nicht vergessen werden. Die strukturellen Defizite der deutschen Wirtschaft wie die hohe Energieabhängigkeit, der technologische Rückstand der Autoindustrie oder die erstickende Überregulierung werden nicht so schnell verschwinden. Steigende Schulden haben es an sich, dass nach dem positiven Impuls die höheren Zinszahlungen und die anstehenden Refinanzierungen verbleiben. Frankreich kann sich nun als Retter Europas inszenieren, bleibt aber reformunfähig und politisch angeschlagen. Die fehlende finanzpolitische Disziplin der Euroländer wird momentan vor dem Hintergrund der politischen Umwälzungen akzeptiert, wird aber spätestens bei der nächsten Schwächephase wieder zum Thema. Dazu kommt, dass der Euro immer noch, und in Zukunft wahrscheinlich noch stärker, am Rettungsring der EZB hängt. Die mittelfristigen Aussichten für den Euro sind nicht besser geworden, im Gegenteil. Deshalb bleibe ich bei meiner Aussage, dass ein Eurokurs von 90 Rappen nicht eine Frage des «ob», sondern des «wann» ist. Wahrscheinlich geht es aufgrund der aktuellen Entwicklungen einfach etwas länger.

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