St. Gallen – Das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU ist endgültig im Altpapier gelandet. Das wirft natürlich die Frage auf, was das für die Schweizer Wirtschaft und damit auch für den Wohlstand des Landes bedeutet. Nicht viel, wenn man die Reaktion an den Finanzmärkten als Massstab nimmt. Der Franken hat nicht reagiert. Der CHF/EUR-Wechselkurs pendelt weiterhin zwischen 1.095 und 1.100 hin und her. Die Zinsen interessieren sich mehr für die Inflationsrate in den USA und die Aktienkurse der Schweizer Unternehmen haben ihren Höhenflug fortgesetzt.
Unmittelbare Folgen wird das Ende der Verhandlungen keine haben. Aktuell gibt es eine gültige Rechtsgrundlage für das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU; und diese besteht weiter. Zwar melden sich einzelne Bereiche, die von
negativen Konsequenzen warnen, sei es beispielsweise den Ausschluss der Schweiz von europäischen Forschungsgeldern oder die Gefährdung der Stromversorgung in Spitzenzeiten. Von einer Bedrohung der Schweizer Wirtschaft im Allgemeinen hört man zu Recht wenig bis gar nichts.
Vergleichbar mit Frankenaufwertung
Dennoch ist es wichtig, dass die Schweiz und die EU wieder zu einem gegenseitigen konstruktiven Dialog zurückfinden. Die grosse Gefahr der verhärteten Fronten liegt unter der Oberfläche und macht sich nur schleichend bemerkbar. Hier wird ein zeitlich befristetes Abkommen auslaufen und nicht mehr erneuert. Da wird ein neue Regelung in der EU eingeführt, die von der Schweiz nicht übernommen wird und dadurch den Zugang der Schweizer Unternehmen zum Binnenmarkt erschwert. Dort wird die Schweiz bei der Bestimmung neuer Normen ausgeschlossen. Das wird nicht dazu führen, dass wir eines Morgens aufwachen und feststellen, dass unsere Wirtschaft in ein Loch fällt. Aber es wird die Rahmenbedingung für die Firmen in der Schweiz verschlechtern, insbesondere für den wichtigen Bereich der Exporte in die EU. Vergleichbar ist diese Belastung mit einer kontinuierlichen Aufwertung des Frankens zum Euro. Ein fast ebenso wichtiger Faktor ist die Verminderung der Planungssicherheit bei langfristig wirksamen Investitionsentscheiden.
Blick auf die Erholung der Weltwirtschaft
Genauso wie sich die Firmen an den steigenden Franken anpassen, werden sie sich auch an die Verschlechterung der Beziehungen zu Europa anpassen. Sie werden die Möglichkeit einer Einschränkung des Zugangs zum Binnenmarkt als Szenario in ihren Entscheidungsprozess einbauen. Investitionen werden im Zweifelsfalle eher in einem EU-Land getätigt als in der Schweiz. Die Produktion wird zumindest zum Teil ins angrenzende Ausland verlagert. Das wird sich kurzfristig nicht sichtbar in den Statistiken niederschlagen. Über die Zeit wird es das Wachstum der Schweizer Wirtschaft und das Einkommen der Bevölkerung dennoch spürbar belasten. Denn eines weiss man auch aus der Diskussion um den starken Franken: Ein Arbeitsplatz, der ins Ausland verschoben wird, kommt nicht mehr zurück in die Schweiz.
Aus Anlegersicht ist ein überstürztes Handeln nicht angesagt. Andere Einflüsse wie die Inflationsdiskussion und die Erholung der Weltwirtschaft sind für die Preisbildung beim Franken, bei den Zinsen oder an den Börsen wichtiger als das momentane Vakuum im Zusammenleben zwischen Bern und Brüssel. (SGKB/mc/pg)