St. Gallen – Mario Draghi soll Italien einmal mehr aus der Patsche helfen. 2012 beruhigte er als Chef der EZB die Eurokrise und verhinderte damit auch den finanziellen Kollaps des italienischen Staates. Mit der Quasi-Kreditgarantie der EZB waren italienische Staatsanleihen wieder salonfähig und die Anleger griffen wieder zu. In der Folge sank die Kreditrisikoprämie zu Deutschland von 5% auf 1%. Nun brachten es die italienischen Politiker fertig, mitten in der grössten wirtschaftlichen Krise seit Jahrzehnten die Regierung zu stürzen. Zum Glück gibt es Super Mario, der nun das Land mit viel Geld aus Brüssel zu neuer Hochblüte bringen soll.
Die Finanzmärkte nehmen die Ernennung Draghis positiv zur Kenntnis. Die Aktienkurse an der Börse von Mailand sind ebenso gestiegen wie der Euro. Die Reaktion war nicht euphorisch, aber auf Draghi kann man zählen. Da spielt es kaum eine Rolle, dass er etwas erreichen soll, an dem vorher schon viele gescheitert sind. Mario Draghi wird es schwer haben, der reformresistenten Wirtschaft Italiens eine effiziente Struktur zu verpassen. Er hat jedoch ein gutes Argument in den Händen: 209 Mrd. Euro Hilfsgelder der EU, die er verteilen kann.
Draghi steht vor fast unlösbarer Aufgabe
Die italienische Wirtschaft ist im letzten Jahr um 6.6% geschrumpft. Das ist mehr als die 5.1% in der gesamten Eurozone. Im Unterschied zu den meisten anderen Euroländern ist die italienische Wirtschaft in den zehn Jahren zuvor zudem praktisch nicht gewachsen. Die strukturellen Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des Landes sind nicht kleiner geworden. Italien hängt am Tropf der EZB. Ohne deren faktische Finanzierungsgarantie wären die aktuellen Budgetdefizite nicht zu stemmen. Die Schattenseite ist eine Schuldenquote, die bis im letzten Juni auf 150% des BIP gestiegen ist und munter weiter steigt.
Irgendwann wird die EZB aufhören müssen, den italienischen Staat zu finanzieren. Wie das geschehen soll, ohne dass die Zinsen in Italien steigen, ist nicht klar. Höhere Zinsen würden rasch zu höheren Kosten führen. Im Unterschied zu vielen anderen Ländern hat Italien es versäumt, die tiefen Zinsen durch die Ausgabe von langen Obligationen anzubinden. Für sehr lange Bonds hätte das Land private Anleger suchen müssen, die höhere Zinsen verlangt hätten als die EZB. So müssen in diesem Jahr satte 15% der ausstehenden Schulden refinanziert werden. In den nächsten fünf Jahren sind es fast 60%.
Anhaltende Belastung für Eurozone
Mit Mario Draghi hat das Land eine Chance, die nötigen Reformen anzupacken, um die Wirtschaft wieder produktiver zu machen. Die EU und die EZB haben für die nötige Rückendeckung gesorgt. Ob es gelingen wird, ist eine offene Frage und leider unwahrscheinlich. Die machtbesessenen Politiker aller Lager sind mehr daran interessiert, die eigene Klientel bei Laune zu halten als langfristig zu investieren. Italien wird daher das grösste Risiko und die grösste Belastung für die Eurozone bleiben.
Momentan kann man bei der EZB noch mit der aussergewöhnlichen Situation durch das Coronavirus argumentieren. Die EZB wird aber wieder zu normalen Zuständen zurückfinden müssen. Sie wird auch dann den Bestand an italienischen Anleihen nicht reduzieren und bei Verfall erneuern. Aber für die Finanzierung der zukünftigen Budgetdefizite werden andere Käufer gesucht werden müssen. Die Gefahr ist gross, dass die Kreditrisikoprämie Italiens dann wieder deutlich ansteigt und die Eurozone wieder in Frage stellen wird. Der Tag wird kommen, an dem man Italien vor die Wahl stellen muss, endlich Reformen umzusetzen oder die Eurozone zu verlassen. (SGKB/mc/ps)