SGKB Investment views: US-Wirtschaft hautnah erlebt

Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank

Ich habe ein paar Tage in New York verbracht und konnte dabei auch den aktuellen Stand der US-Wirtschaft beobachten. New York mag nicht das Bild der gesamten USA zeigen, aber ein paar Eindrücke dürften allgemein ihre Gültigkeit haben. Auffallend ist, dass die Bauindustrie boomt. New York scheint eine einzige Baustelle zu sein. Praktisch in jeder Strasse werden Gebäude renoviert oder durch Neubauten ersetzt.

Ob die in die Höhe gezogenen Türme ihre Mieter finden werden, ist eine andere Frage. Im Wohnbereich wahrscheinlich schon, wie ein Blick auf die Preise der angebotenen Apartments erahnen lässt. Im Bürobereich fällt dagegen auf, dass die Leerstände offensichtlich nicht unerheblich sind. Auf den Strassen und Brücken schlängelt sich der Verkehr auch um viele Baustellen herum. Politisch nicht ungewollt findet sich bei diesen Baustellen häufig eine Tafel, die über die Finanzierung durch das von Präsident Biden aufgelegte Infrastrukturprogramm informiert.

Ebenso auffallend sind die Auswirkungen der Inflation. Verglichen mit der Zeit vor Corona sind die Preise spürbar höher. Das gilt insbesondere für Hotels und Restaurants, aber auch für staatlich regulierte Preise wie diejenigen für die Taxis oder den öffentlichen Verkehr. Dass die Inflation und ihre Folgen im aktuellen Wahlkampf ein zentrales Thema sind, ist nachvollziehbar.

Sichtbar nachlassende Konjunktur
Differenzierter zeigt sich das Bild beim privaten Konsum. Die Nachfrage nach Dienstleistungen ist anhaltend hoch, was auch mit den vielen Touristen zu tun haben wird. Beim genaueren Hinschauen zeigen sich aber Risse im Bild. Einen Tisch in den etwas teureren Restaurants zu finden, ist kein Problem mehr. Die Rabatte beim Kauf von Textil- und anderen Gütern sind grösser als gefühlt in der Vergangenheit. Es ist nicht so, dass die Läden leer sind, aber die Schlangen an den Kassen halten sich in Grenzen.

Dass die schwächere Konjunktur den Arbeitsmarkt erreicht hat, macht sich auch bemerkbar. Die Zahl der Hinweise, dass Personal gesucht wird, hat abgenommen. Während vor einem Jahr fast jedes Restaurant und jedes Geschäft einen entsprechenden Hinweis im Schaufenster hatte, beschränkt sich die Personalsuche nun vor allem auf den öffentlichen Sektor. Dabei scheint das New York Police Department bereits jetzt über erhebliche personelle Ressourcen zu verfügen.

Gezielter Konsum
Alles in allem bleibt der Eindruck, dass der Boom nach Corona in der US-Wirtschaft vorbei ist. Die Leute haben Geld, geben es aber gezielter aus als auch schon. Eine wirtschaftliche Krise sieht jedoch anders aus. Das Bild aus den Konjunkturdaten einer sich abschwächenden Wirtschaftsentwicklung, jedoch keiner Rezession, wird durch die erhaltenen Eindrücke, die statistisch gesehen zugegeben nicht repräsentativ sind, bestätigt.

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