Am Mittwoch wird die Fed ihren nächsten Zinsentscheid fällen. Alles andere als die Beibehaltung des aktuellen Leitzinses von 5.25% bis 5.50% wäre eine Überraschung, auch wenn Grössen wie Bill Dudley, der frühere Präsident der New York Fed, die Notenbank auffordern, bereits am Mittwoch mit einer Zinssenkung aktiv zu werden. Wichtiger wird daher sein, ob Jerome Powell Hinweise auf eine Zinssenkung im September geben wird.
Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal mit annualisierten 2.8% wieder stärker gewachsen als im Vorquartal und hat die Erwartungen der Ökonomen übertroffen. Das Wachstum war breit abgestützt. Sowohl der Private Konsum als auch die Investitionen trugen überdurchschnittlich dazu bei.
Geringerer Lohndruck, schwächere Nachfrage, nachlassende Inflation
Dennoch mehren sich die Anzeichen, dass die konjunkturelle Abschwächung auch die USA erreicht hat. Die Auftragseingänge dauerhafter Güter sind auf dem Rückzug. Vorauslaufende Indikatoren wie die ISM-Einkaufsmanagerindizes oder das von der University of Michigan ermittelte Konsumentenvertrauen deuten auf einen Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit hin. Die schwächere Tendenz zeigt sich auch im Arbeitsmarkt, der lange als solider Block in der Brandung alle Gegenwinde abblockte. Die Neuanträge für die Arbeitslosenversicherung nehmen auf tiefem Niveau zu, ebenso die Arbeitslosenrate. Im Gegenzug nimmt der Lohndruck ab. Der von der Atlanta Fed ermittelte Lohnanstieg ist von 6.7% im Inflationsjahr 2022 auf 4.7% gesunken.
Das alles bedeutet nicht, dass in den USA eine Rezession vor der Tür steht. Da sich geldpolitische Entscheide jedoch erst mit einer Verzögerung auf die wirtschaftliche Aktivität auswirken, tut die Fed gut daran, rechtzeitig Gegensteuer in Form tieferer Zinsen zu geben.
Der geringere Lohndruck und die schwächere Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wirkt sich auch dämpfend auf die Inflation aus. Der von der Fed favorisierte PCE-Core-Index liegt mit 2.6% noch über ihrem Zielwert. Die Wahrscheinlichkeit eines neuerlichen Inflationsschubes nach oben ist jedoch gering. Das gibt der Fed den nötigen Freiraum, ihren zweiten Auftrag, die Arbeitslosenrate tief zu halten, stärker in ihre Zinsentscheidung einzubeziehen.
Zinswende im September
Bleibt die politische Frage, ob die Fed kurz vor der Präsidentschaftswahl die Zinswende einläuten und sich damit dem Vorwurf der Einflussnahme auf die Wahl aussetzen will. Von einer Zinssenkung profitiert vor allem die aktuelle Regierung. Diese Frage wäre berechtigt, wenn der Zinsentscheid kurz vor dem Wahltermin im November getätigt würde. Wenn die Fed Mitte September die erste Zinssenkung macht, geht es bis zu den Wahlen aber noch lange.
Ich stimme mit den aktuellen Markterwartungen überein und gehe auch davon aus, dass die Fed am 18. September die erste Zinssenkung machen wird. Danach wird sie bis im nächsten Sommer den Leitzins auf 4.25% bis 4.50% drücken. Damit ist meine Prognose weniger aggressiv als die aktuelle Markteinschätzung, wobei sich letztere schnell wieder ändern kann. Wichtiger als das Tempo wird das Zielniveau der Zinssenkungen sein. Die Fed geht momentan von einem langfristig neutralen Leitzins von 2.6% aus. Andere wie Larry Summers sehen diesen schon bei 4.5% gegeben. Ich befinde mich zwischen den beiden und sehe den konjunkturneutralen Zins in den USA bei rund 3.5%.
Interessant wird sein, wie die Aktienmärkte auf die erste Zinssenkung der Fed reagieren werden. Bisher profitierten die Aktien von der Hoffnung und der Erwartung auf Zinssenkungen. Dieser Faktor wird sich abschwächen und verloren gehen, wenn Zinssenkungen «business as usual» werden. Wichtig für eine Fortsetzung der guten Börsenstimmung wird dann sein, dass die US-Wirtschaft neue Stärke zeigen kann. (SGKB/mc/pg)