SGKB Investment Views: Wenn 5% zu einem Problem werden
St. Gallen – Der Nahost-Konflikt ist nun auch an den Aktienmärkten angekommen. Die Unsicherheit hat nach den Ereignissen rund am das beschossene Spital in Gaza zugenommen und den Kursen zugesetzt. Der Boden für die schlechte Stimmung wurde aber schon zuvor durch die Zinsentwicklung in den USA vorbereitet. Seit Anfang September ist die Rendite der 10-jährigen USTreasury Note von 4.10% auf fast 5.00% gestiegen. Der Leitzins der Fed hat sich in dieser Zeit nicht verändert und mit 5.375% wohl seinen Höchststand erreicht. Die stark inverse Zinskurve in den USA ist Geschichte. Die Zinskurve der US-Treasuries zwischen den Laufzeiten von zwei und dreissig Jahren ist flach wie ein Bügelbrett. Die Rezessionspropheten, die in der inversen Zinskurve den unweigerlichen Fall in das tiefe Loch der Rezession gesehen haben, sind verstummt. Der wirtschaftliche Datenkranz ist aber nicht besser als im Sommer. Der Anstieg der Kapitalmarktzinsen dürfte die konjunkturellen Aussichten gar verschlechtern. Die Hypothekarzinsen sind in die Höhe geschossen, was dem bereits angeschlagenen Immobilienmarkt auch nicht hilft.
Der Zinssprung wird mit dem Zauberwort «higher for longer» begründet. Die Fed und ihr Präsident Powell haben nie gesagt, dass sie die Zinsen rasch wieder senken werden. Sie sagen aber auch nicht, dass sie die Zinsen nicht mehr senken werden. Ein Leitzins von fast 5.5% und Kreditzinsen von 6% oder mehr sind für die US-Wirtschaft auf Dauer nicht tragbar. Deshalb geht die Fed davon aus, dass sie den Leitzins ab Mitte des nächsten Jahres langsam wieder in einen konjunkturfreundlicheren Bereich senken wird und dass bis in zwei Jahren das konjunkturneutrale Niveau von rund 3.50% wieder erreicht sein wird. Die Finanzmärkte sollten damit beginnen, der Fed zuzuhören. Im Sommer waren die langen Zinsen zu tief, jetzt sind sie zu hoch. Im aktuellen Stand des Zinszyklus müsste die Zinskurve in den USA invers sein.
Stabile Schweizer Zinsen
Die Zinsen in der Schweiz haben sich nicht wie üblich dem Gebaren jenseits des Atlantiks angeschlossen. Das ist gut so, denn an den geldpolitischen und konjunkturellen Aussichten hat sich hierzulande nichts geändert. Die Konjunktur schwächelt, aber die Gefahr einer spürbaren Rezession ist gering. Die SNB hat nach dem Verzicht auf eine Zinserhöhung im September mit einem Leitzins von 1.75% das Top erreicht und widmet sich wieder mehr der Franken-Steuerung. Die Zinskurve der Swapsätze, welche für die Kreditzinsen relevant sind, ist flach und pendelt um den Leitzins der SNB herum. Dass die Zinskurve in der Schweiz flach ist, macht Sinn, da mit Zinssenkungen der SNB länger nicht zu rechnen ist. Die Zinsen sind für die Wirtschaft auf dem heutigen Niveau kein grosses Problem. Da schmerzt die Stärke des Frankens deutlich mehr. Zudem ist das Potenzial für Zinssenkungen der SNB deutlich geringer als in den USA.
Rückkehr zu wirtschaftlichen Faktoren
Wenn die Zinsen sich so schnell bewegen wie aktuell in den USA, spielen meistens nicht nur wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Solche Bewegungen lösen bei quantitativen Handelsmodellen Kauf- oder Verkaufssignale aus, die den Trend verstärken. Bei psychologisch wichtigen Marken wie den 5% spielen auch spekulative Derivatpositionen eine Rolle. Für die Finanzmärkte, insbesondere für die Aktienmärkte, wäre es jedoch von Vorteil, wenn sich das Ganze beruhigen würde. Dann würden beim Entscheid zum Kaufen oder Verkaufen wieder so langweilige Faktoren wie Inflation, Konjunktur und Geldpolitik wichtig sein. (SGKB/mc/ps)