SGKB investment views: Wenn schlecht gut und gut schlecht ist

SGKB investment views: Wenn schlecht gut und gut schlecht ist
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die Aktienmärkte nehmen einen neuen Anlauf für ein Rallye. Der Swiss Performance Index hat seit Ende September rund 5% zugelegt, der S&P 500 gar 8%. Der Auslöser für die Kursgewinne ist der gleiche wie im Juli, als die Aktienkurse vorübergehend 15% gestiegen sind: die Hoffnung, dass die Zentralbanken, allen voran die Fed, die Zinsen nicht so stark erhöhen wie befürchtet und bereits im nächsten Jahr die Zinsen wieder senken werden. Das hat zur Folge, dass schlechte Meldungen für die Konjunkturentwicklung bejubelt werden, während positive Konjunkturdaten die Sorgenfalten zurückbringen. Wenn der Online-Händler Amazon seine Besorgnis für das anstehende Weihnachtsgeschäft äussert, bricht die Aktie von Amazon 15% ein, aber bei den anderen Aktien wird zugegriffen.

von Thomas Stucki, CIO St.Galler Kantonalbank

Ende Juli wurden die Zinshoffnungen enttäuscht und die Aktienmärkte haben die Kursgewinne rasch wieder abgegeben. Ob sich die neuerlichen Zinshoffnungen erfüllen werden, ist ebenso unsicher. Die Fed wird diese Woche die Zinsen um weitere 0.75% auf knapp 4% anheben. Es ist gut möglich, dass die Fed das Tempo danach etwas drosselt und im Dezember die Zinsen «nur» noch um 0.50% erhöht. Bis Zinserhöhungen in der Wirtschaft und damit auch bei der Inflation die gewünschte Bremswirkung entfalten, dauert es seine Zeit. Zudem ist der Grat zwischen notwendiger Konjunkturbremse und Rezession schmal, weshalb ein vorsichtigeres Vorgehen nun angebracht ist. Solange der Inflationsdruck so stark und die Preiserhöhungen so weit verbreitet sind und solange die Kluft zwischen offenen Stellen und verfügbaren Arbeitskräften so gross ist, solange wird die Fed aber an einer restriktiven Geldpolitik festhalten.

Weiter steigende Zinsen
Das gleiche gilt für die Eurozone und die Schweiz. Von der SNB wird mittlerweile erwartet, dass bei einem Leitzins von 1.25% das Ende der Zinserhöhungen erreicht ist. Vor einem Monat wurde für den nächsten Juni noch ein Leitzins von über 2% erwartet. Indikationen oder Argumente für eine weniger restriktive Geldpolitik der SNB gab es in dieser Zeit keine. In der Eurozone steigt die Inflation ungebremst weiter. Die EZB wird deshalb die Zinsen trotz der befürchteten Rezession deutlich anheben müssen, um ihre Reputation als Hüterin der Preisstabilität nicht endgültig aufs Spiel zu setzen.

Erst 2023 klarere Sicht
Die Zinserhöhungen werden irgendwann ein Ende haben. Wo und wann dieses sein wird, ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen. Vorderhand ist es noch nicht da. Zudem werden die Meldungen aus der Wirtschaft und aus den Unternehmen in den nächsten Wochen nicht besser werden. Deshalb steht das aktuelle Börsenrallye, so gut es der schmerzenden Anlegerseele auch tut, auf wackligen Füssen. Ein neuerlicher Rückschlag bis hin zu den alten Tiefständen wäre keine Überraschung. Eine nachhaltige Trendwende nach oben wird es erst geben, wenn das wo und wann der Zinserhöhungen absehbar ist und wenn sich am Konjunkturhorizont die ersten Lichtblicke zeigen. Das dies im nächsten Jahr der Fall sein wird, dafür stehen die Chancen gar nicht so schlecht. (SGKB/mc)

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