St. Gallen – Am letzten Mittwoch hatte der Euro seinen zweiten «Whatever it takes»-Moment. In Anlehnung an den legendären Spruch von Mario Draghi präsentierte Friedrich Merz seine Pläne für die Aufrüstung der deutschen Armee und für einen Spezialfonds von 500 Mrd. Euro für InfrastrukturInvestitionen. Gegenüber dem Franken schnellte der Kurs des Euro bis am Abend um fast drei Rappen auf über 96 Rappen nach oben. Die Bewegung wurde vor allem aus dem USD/EUR-Handel heraus ausgelöst. Gegenüber dem Dollar gewann der Euro vier Cents und stieg von 1.04 auf 1.08. An den Futures-Märkten waren die Spekulativen Anleger «Short Euro» positioniert und der eine oder andere musste wohl zu jedem Preis seine Verlustposition auflösen, als der Euro an Wert zulegte. Die Frage stellt sich, ob die deutschen Ausgabenpläne eine generelle Neueinschätzung des Euro zur Folge haben werden.
500 Mrd. Euro sind auch für ein grosses Land wie Deutschland eine respektable Summe und machen 13% des BIP aus. Natürlich wird das Geld nicht innerhalb eines Jahres ausgegeben, aber es ist ein starker fiskalpolitischer Impuls für die Wirtschaft. Die Schulden des deutschen Finanzministeriums betragen aktuell rund 2’700 Mrd. Euro. Mit der Finanzierung des Fonds durch zusätzliche Bundesanleihen steigt die Schuldenquote Deutschlands im Vergleich zum BIP von heute 64% auf 76%. Das ist zwar nicht schön, aber verkraftbar, sofern die zusätzlichen Ausgaben für die Rüstung anderweitig kompensiert werden. Fiskalpolitische Puristen werden hier anderer Meinung sein. Es ist auch klar, dass neu asphaltierte Autobahnen oder ein schnelleres Internet die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft wie die hohe Energieabhängigkeit oder den technologischen Rückstand der Autoindustrie nicht lösen werden. Aber es wäre ein positives und notwendiges Signal dafür, dass seitens der Politik der Ernst der Lage erkannt wird. Bis die Bagger auffahren dauert es bei Infrastruktur-Programmen lange. Ein rascher Beschluss im Parlament und Pläne für erste Projekte können aber zu einem Stimmungsumschwung in der Wirtschaft führen, der den Konsum ankurbelt und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen fördert.
Finanzdisziplin in der Eurozone erodiert weiter
Für den Euro dominieren trotz des Schubs einer besseren deutschen Konjunktur die negativen Auswirkungen. Andere Euroländer werden dem Vorbild Deutschlands folgen und auch mehr Schulden aufnehmen wollen. Von der EU kommen Signale, für die Aufrüstung in Europa die gemeinsame Schuldenaufnahme zu erleichtern. Was beim Wiederaufbaufonds nach Corona ging, wird auch für die Erhöhung der Wehrfähigkeit gehen, so die Meinung in Brüssel. Der starke Renditeanstieg von 0.40% bei den deutschen Bundesanleihen als Reaktion auf die Pläne von Merz hat gezeigt, dass die Investoren die Schulden der Euroländer nicht vergessen haben. Sollte Frankreich oder Italien ein ähnliches Programm auflegen, wird der Renditesprung bei deren Anleihen noch grösser sein. Die EZB wird unter Druck geraten, allenfalls zu reagieren, damit das Vertrauen in den Euro nicht zu stark leidet.
Euro wird wieder schwächer
Der Euro kann in den nächsten Wochen noch von den positiven Meldungen aus Deutschland profitieren, sofern der Infrastruktur-Fonds rasch beschlossen und umgesetzt wird. Danach werden wieder andere Themen die Schlagzeilen beherrschen. Gleichzeitig muss das das Geld für den Fonds am Markt beschafft werden, was die Schuldenfrage immer wieder in den Vordergrund rückt. Wer gegenüber dem Euro exponiert ist, soll die Freude eines höheren Eurokurses noch geniessen. Die Zeit der Sorgen durch einen sinkenden Euro wird wieder kommen.