SGKB Investment views: Wir können uns eine Rezession immer weniger leisten

Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Rezessionen waren bis zur Finanzkrise 2008 ein normaler Bestandteil des Wirtschaftszyklus. Auf eine starke Konjunktur reagierten die Zentralbanken mit Zinserhöhungen, was früher oder später zu einer Abschwächung des BIP-Wachstums bis hin zu einer Schrumpfung der Wirtschaftstätigkeit geführt hat. In der Folge wurden die Strukturen der Wirtschaft bereinigt und der Boden für neue Innovationen gelegt. Die Zentralbanken haben diese mit tieferen Zinsen unterstützt.

Seit 2008 ist dies anders. Die Zinsen wurden als Reaktion auf die überdurchschnittlich tiefe Rezession nach der Finanzkrise zuerst auf Null und später in den negativen Bereich gedrückt. Auf den Aufschwung der Wirtschaft reagierte lediglich die Fed in den USA mit Zinserhöhungen, während die EZB und auch die SNB es versäumt haben, 2017 das positive Wirtschaftsumfeld für eine Umkehr ihrer Zinspolitik zu nutzen. Mittlerweile gehen die Finanzmärkte und die Wirtschaftsteilnehmer davon aus, dass sich an den ultratiefen Zinsen noch lange nichts ändern wird. Dies hat ihr Verhalten verändert, und nicht nur zum Guten.

Höhere Risiken bei den Anlagen
Die Anleger gehen mehr Risiken ein, um ihre finanziellen Ziele zu erreichen. Das gilt einerseits für die privaten Anleger, die risikoarme Obligationen durch mehr Kreditrisiken oder einen höheren Aktienanteil ersetzen. Das gleiche machen die Pensionskassen. Um die für die Einhaltung ihres Leistungsversprechens notwendige Anlagerendite zu erzielen, erhöhen sie bewusst und zum Teil auch unbewusst die Risiken in ihren Portfolios. Damit erhöhen sie ihre Abhängigkeit vom Aktienmarkt. Die Aktienkurse steigen aber nur, wenn die Wirtschaft einigermassen gut läuft. Rückschläge am Aktienmarkt von 20% oder mehr, wie sie beim Fall in eine Rezession üblich sind, würden viele Pensionskassen in Bedrängnis bringen. Zusätzlich zu den Aktienkursen würden auch die Kurse ihrer anderen Risikoanlagen wie den High Yield Bonds oder den illiquiden Alternativen Anlagen massiv fallen.

Höhere Abhängigkeit vom Konjunkturzyklus
Die steigende Abhängigkeit von einer gut laufenden Wirtschaft beschränkt sich nicht nur auf die Finanzmärkte und die Pensionskassen. In den letzten Jahren hat die Verschuldung der privaten Haushalte in der Schweiz deutlich stärker zugenommen als das verfügbare Einkommen. Der «Leverage» der Haushalte ist gestiegen. Die Schulden wurden dabei grösstenteils in Form von Hypotheken für den Kauf von Immobilien aufgenommen. Höhere Zinsen können die Haushalte verkraften. Das zusätzlich für die Zinsen aufgewendete Geld fehlt dann jedoch für andere Auslagen, was die Konjunktur belastet. Kritischer wird es, wenn die Haushalte ihr Einkommen verlieren, beispielweise durch den Verlust des Arbeitsplatzes. Ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit im Falle einer Rezession würde schnell zu grösseren Ausfällen bei den Hypotheken und damit zu einem Problem im Immobilienmarkt führen.

Die tiefen Zinsen verleiten die Wirtschaftssubjekte dazu, gewollt oder ungewollt höhere Risiken einzugehen. Je länger das Tiefzinsumfeld anhält, desto grösser wird der «Leverage» im Wirtschaftssystem werden. Umso grösser werden aber auch die Folgen sein, wenn die Rechnung nicht mehr aufgeht. Die Zentralbanken tun deshalb gut daran, das nächste sich öffnende Fenster zu nutzen, um die Zinsen anzuheben und etwas Luft aus dem sich füllenden Ballon abzulassen. (SGKB/mc/ps)

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