Von Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank
St. Gallen – Nein, der Titel ist nicht falsch geschrieben. Am Mittwoch wird die Fed eine neuerliche Zinserhöhung von 0.75% beschliessen, um die sich ausbreitende Inflation unter Kontrolle zu bringen. An den restlichen drei Sitzungen in diesem Jahr werden zusätzliche Zinserhöhungen folgen, wobei diese kleiner ausfallen werden. Ende 2022 wird der Leitzins in den USA bei rund 3.50% und damit über dem konjunkturneutralen Niveau sein. Wie aus den Futures-Kontrakten ersichtlich ist, erwarten die Finanzmärkte jedoch nach einer kurzen Pause bereits im ersten Halbjahr 2023 die erste Zinssenkung der Fed. Für 2023 werden insgesamt drei Zinssenkungen erwartet.
Gemäss der dieser Erwartung zugrundeliegenden Logik wird die Fed dann auf die wirtschaftliche Abschwächung in den USA reagieren. Erlauben sollte ihr dies eine rückläufige Inflationsrate. Die Fed wird im nächsten Jahr ihre Zinsen nicht mehr im gleichen Tempo erhöhen wie aktuell. Dass sie eine längere Pause einlegt, um die Wirkung der höheren Zinsen auf die Inflation und die Wirtschaft zu beurteilen, ist wahrscheinlich.
Es braucht Zeit
Zinsveränderungen wirken auf die Konjunktur bekanntermassen erst mit einer Verzögerung von mehreren Monaten. Dass die Fed schon im nächsten Jahr wieder zu einer expansiven Geldpolitik wechselt, erwarten wir dagegen nicht. Tiefere Rohstoffpreise werden über den Basiseffekt den Inflationsdruck zwar mindern. Eine sinkende Nachfrage als Folge der schwächeren Konjunktur wirkt in die gleiche Richtung. Die aktuelle Inflationsdynamik ist aber so stark, dass die Inflationsrate deutlich über dem Zielwert der Fed von 2% verharren wird. Die USWirtschaft müsste rasch und heftig in eine Rezession abstürzen, damit die Fed trotz anhaltendem Inflationsdruck so schnell mit Zinssenkungen reagieren würde.
Davon gehe ich nicht aus.
Nutze die Zeit
Die anderen Zentralbanken müssen dennoch damit rechnen, dass sich das Zeitfenster für Zinserhöhungen Mitte 2023 oder spätestens gegen Ende des nächsten Jahres schliessen wird. Die Fed gibt weltweit die Zinsrichtung vor. Entgegen der Vorgabe der Fed an der Zinsschraube nach oben zu drehen, wird für die EZB und die Nationalbank schwierig. Sie werden deshalb die momentane Gelegenheit nutzen und ihre Leitzinsen rasch weiter anheben. Damit reagieren sie auf die ungemütliche Inflationsentwicklung und schaffen sich das notwendige Polster, um später bei Bedarf mit Zinssenkungen wieder auf konjunkturelle Probleme oder externe Schocks reagieren zu können. Die SNB wird in den nächsten zwölf Monaten die Zinsen um insgesamt 1.50% auf 1.25% anheben. Anschliessend kann das Tempo gedrosselt werden. Ende 2023 wird bei 1.75% gemäss unserer Prognose das Ende der Zinserhöhungen erreicht sein. (SGKB/mc/ps)