St. Gallen – Der volatile Start ins Aktienjahr 2022 hat viel mit der Erwartung höherer Zinsen zu tun. Dies führte einerseits zu Kursanpassungen bei Titeln, die eine sehr hohe Bewertung aufwiesen. Insbesondere bei den sogenannten Wachstumswerten, wie zum Beispiel Tech-Titeln, war der Jahresstart schwierig. Ist das ein schlechtes Omen für das gesamte Börsenjahr und was ist von der Gelpolitik zu erwarten?
von Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie und Analyse der St.Galler Kantonalbank.
Dass die Fed ihre Geldpolitik restriktiver gestaltet, ist der aktuellen Lage angemessen. Die Fed muss deutlich machen, dass sie gegen die höhere Inflation etwas unternimmt. Dies ist sehr wichtig, weil sie nur so das Vertrauen der Anleger
wahren kann. Darum ist es auch zentral, dass die Fed nicht ewig zuwartet und auf die gestiegene Inflation innert nützlicher Frist reagiert. Ich erwarte eine erste Zinserhöhung im März. Nur so kann sie weiterhin den bewährten transparenten Kurs fortführen. Aktuell habe ich den Eindruck, dass die Fed ihre geldpolitische Wende gut angekündigt hat und auch angemessen, ohne in Panik zu geraten, auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert.
Schwierige Ausgangslage für EZB und Abhängigkeit der SNB
Die Ausgangslage für die EZB ist um einiges schwieriger als für die Fed. Denn die gestiegene Inflation in der Eurozone verlangt ebenfalls nach höheren Leitzinsen. Aber die Schuldenlast einiger Länder und damit deren Zugang zum Kapitalmarkt könnte durch einen rasch restriktiveren Kurs gestört werden. So ist der Kreditrisikoaufschlag Italiens temporär angestiegen. Die EZB muss darum immer aufs Neue zwischen der Inflationsentwicklung und der Kreditfähigkeit sowie Konjunktur einzelner Länder abwägen. Dass sie auch unter diesen Umständen nicht um eine restriktivere Geldpolitik herumkommt, liegt auf der Hand. Allerdings ist das Timing von weit grösserer Bedeutung. Erst wenn sie das Anleihenkaufprogramm reduziert hat, wird sie den Zins erhöhen. Dies wird erst Ende Jahr der Fall sein, was sicher eher spät ist.
Die SNB muss sich in Geduld üben und wird ihre Geldpolitik erst dann restriktiver gestalten, wenn die EZB ihre Zinsen ein erstes Mal erhöht hat. Anders als ihr europäisches Pendant hat die SNB dafür aber mehr Handlungsspielraum, weil die Inflation in der Schweiz tiefer ist und mit dem tendenziell starken Franken quasi als «automatischer Stabilisator» in Schach gehalten wird. Ich würde mich gerne früher von den Negativzinsen verabschieden, aber so wie die Dinge aktuell liegen und mit Blick auf die EZB wird sich 2022 keine Veränderung ergeben.
Was heisst das für die Finanzmärkte?
Die Finanzmärkte, speziell die Aktienmärkte, brauchen noch etwas Zeit, bis sie sich an die restriktivere Geldpolitik gewöhnt haben. Eine Veränderung bei den Zinsen wirkt wie ein Dominoeffekt bei den Bewertungen und es wird noch weitere Anpassungen geben. Mit Blick auf die Entwicklung der Unternehmensgewinne und die Konjunkturaussichten ist aber die Ausgangslage für die Aktienmärkte weiterhin positiv, auch wenn sie anspruchsvoller geworden ist. Hohe Kursschwankungen werden weiterhin dominieren. (SGKB/mc/pg)