Zürich – Neobanken sind einer der grossen Branchentrends, mit fast einer Milliarde Kundenkonten und Milliarden an Investitionsvolumen. Jedoch: Weniger als fünf Prozent aller Neobanken sind derzeit profitabel. Was die Gründe dafür sind und wie sich das ändern lässt.
von Christoph Stegmeier, Senior Partner, München und Philipp Kaupke, Partner, Zürich
Nur wenige Trends im Bereich der Finanzdienstleistungen haben sich so rasant entwickelt wie die Verbreitung von Neobanken. Weniger als zehn Jahre nach dem Erscheinen der ersten Online-Banken auf der Spielfläche, haben sich diese digitalen Disruptoren zu einem globalen, eigenständigen Branchensegment entwickelt. Die globale Wachstumsberatung Simon-Kucher & Partners kreierte ein Neobanking-Radar, das Neobanken auf der ganzen Welt analysiert, basierend auf unterschiedlichen Faktoren – einschliesslich Aktivitätslevel, Finanzausstattung und Wertansätze.
Simon-Kucher Global Neobanking Radar
Diese Analyse zeigt: Es existieren derzeit etwa 400 Neobanken weltweit, die fast eine Milliarde Kunden betreuen. Das darin enthaltene Potenzial bleibt auch bei Investoren nicht unbemerkt. 2021 stiegen die Bewertungen von Analysten raketenartig nach oben; mittlerweile wird der Wert der Branche auf rund 300 Milliarden US-Dollar geschätzt. Jedoch: Derzeit erwirtschaften weniger als fünf Prozent der Neobanken Profite. Wie können sie eine nachhaltige Rentabilität erreichen?
Zu viel Wachstum, zu wenig Profit?
Bekanntermassen entsteht Profit aus einem Überschuss von Einnahmen im Vergleich zu Kosten. Beim Digital Banking sind ebendiese Kosten eng mit dem Umfang und der Effizienz von Marketingmassnahmen verknüpft. Die meisten Neobanken sind in diesem Gebiet vergleichsweise gut aufgestellt: digitales Marketing, Social Media, Mund-zu-Mund-Propaganda – all das ermöglicht es ihnen, relativ günstig neue Kunden zu gewinnen. Das Problem liegt auf der Einkommensseite. Das Einkommensniveau pro Kunde übersteigt oft nicht den einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich. Grund dafür ist der starke Wachstums- und Innovationsfokus der Unternehmen, hinter dem die Rentabilität häufig zurückstehen musste.
Erfolgsfaktoren für die drei Reifephasen von Neobanken
Wie lässt sich das ändern? Zunächst einmal müssen Neobanken ab sofort Profitabilität ins Zentrum aller wichtigen Entscheidungen stellen. Ausserdem gibt es eine Reihe von Erfolgsfaktoren in den drei unterschiedlichen Phasen einer Neobank – Launch, Wachstum und Monetarisierung –, die beim Erreichen höherer Umsätze helfen:
Launch
Während der Launch-Phase einer Neobank ist es essenziell, die Pain-Points zu identifizieren, die für Kunden besonders ärgerlich sind – und folgerichtig nur dann Lösungen anzubieten, wenn sie auch bereit sind, dafür zu bezahlen. Ausserdem ist es jetzt besonders wichtig, einen ehrgeizigen, aber realistischen Business Cases zu erstellen, der Rentabilität nach maximal drei bis fünf Jahren anstrebt. Nicht zuletzt muss bereits von Anfang an eine agile Start-up-Mentalität im Unternehmen vorherrschen, um auftretender Probleme schnell Herr zu werden.
Wachstum
Ist die Neobank am Markt gestartet, geht es darum, das Wachstum gezielt zu steuern, mit einer klaren Priorisierung was Zielmärkte und -segmente angeht. Innovationen sollten über das reine Benutzererlebnis hinaus umgesetzt werden. Besonders wichtig ist es, profitable Produkttrends aufzuspüren und zu nutzen. Zusätzlich sollten sie Strategien entwickeln, um ihren Kundenstamm zu möglichst geringen Kosten zu erweitern.
Monetarisierung
Nach dem schnellen Wachstum am Anfang ist die systematische Monetarisierung entscheidend. Moderne Preisstrategien, z. B. Abo-Modelle, wie sie etwa branchenfremde Unicorns verwenden, sorgen für gesteigerte Umsätze. Weitere Monetarisierungsansätze unter Verwendung verhaltensökonomischer Strategien, beispielsweise Kundenbindungsprogramme, attraktive Bundles und geschicktes Cross-Selling tragen weiter dazu bei. Nicht zuletzt sollten Neobanken darauf achten, ein Ecosystem aus Partnerschaften zu etablieren, um stets das geeignete Know-how zur Verfügung zu haben. Neobanken, die diese Punkte in ihre Strategie einbauen, gewinnen nicht nur Marktanteile und Kunden, sondern erreichen vor allem nachhaltige Rentabilität. (Simon Kucher & Partners/mc)