Von Angelika Jacobs, Universität Basel
Basel – Ferien im Schnee gehören für viele in der Schweiz zum Jahresende wie Weihnachtsbäume und Feuerwerk. Die Klimaerwärmung macht weisse Pisten jedoch zunehmend zur Seltenheit. Wie gut sich eines der grössten Skigebiete der Schweiz bis zum Jahr 2100 noch mit technischer Beschneiung behelfen kann und wie viel Wasser dafür benötigt wird, haben Forschende der Universität Basel berechnet.
Die Zukunft für den Schneesport in der Schweiz sieht alles andere als rosig beziehungsweise weiss aus. Aktuelle Klimamodelle sagen voraus, dass es in kommenden Jahrzehnten im Winter zwar mehr Niederschlag geben wird. Dieser fällt aber immer häufiger nicht als Schnee, sondern als Regen vom Himmel. Dennoch verwendete ein Investor unlängst mehrere Millionen Schweizer Franken, um das Skigebiet Andermatt-Sedrun-Disentis auszubauen. Eine kurzsichtige Entscheidung, die sich rächen wird?
Ein Forschungsteam um Dr. Erika Hiltbrunner vom Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel hat nun berechnet, inwiefern sich dieses Skigebiet künftig mit technischer Beschneiung das Weihnachtsgeschäft und eine mindestens 100-tägige Skisaison bewahren kann. Dafür sammelten sie Daten über die Ausrichtung der Pisten, die Orte, die beschneit werden müssen und wie viel Wasser dafür verwendet werden muss. Zudem nutzten sie die neuesten Klimaszenarien (CH2018) in Kombination mit der Simulierungssoftware SkiSim 2.0, um die Schneeverhältnisse mit und ohne technischer Beschneiung zu projizieren. Ihre Ergebnisse erschienen kürzlich im «International Journal of Biometeorology».
Keine Garantie für weisse Weihnacht
Künstliche Beschneiung kann zwar zumindest in den höher gelegenen Teilen des Skigebiets (über 1800 Meter über Meer) eine 100-tägige Skisaison gewährleisten, so das Ergebnis. Aber für das Geschäft während der Weihnachtsferien dürfte es in kommenden Jahrzehnten knapp werden, da es im Vorfeld oft nicht kalt genug wird. Bei einem Szenario mit ungebremstem Klimawandel wird insbesondere die Region Sedrun auf Dauer keine Schneegarantie über die Feiertage mehr bieten können. Zu einem gewissen Grad könne man die Situation womöglich mit neuen Schneekanonen auffangen, aber eben nur teilweise, schreiben die Forschenden.
«Was viele nicht bedenken, ist, dass man auch für die technische Beschneiung gewisse Witterungsverhältnisse braucht.»
Dr. Erika Hiltbrunner
«Was viele nicht bedenken, ist, dass man auch für die technische Beschneiung gewisse Witterungsverhältnisse braucht», erklärt Hiltbrunner. «Es darf nicht zu warm sein und die Luft nicht zu feucht, sonst entsteht keine ausreichende Verdunstungskälte, damit das zerstäubte Wasser in der Luft gefriert und als Schnee herunterkommt.» Warme Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf und so wird es mit immer wärmeren Wintern auch zunehmend schwieriger bis unmöglich, technisch Schnee zu erzeugen. Anders ausgedrückt: «Hier setzt die Physik der technischen Beschneiung natürliche Grenzen.»
540 Millionen Liter
Geschäfte machen lässt sich aber weiterhin, denn die künstliche Beschneiung ermöglicht es den Betreibern des Skigebiets, zumindest höher gelegene Pisten während 100 aufeinanderfolgenden Tage geöffnet zu halten – auch noch bis Ende des Jahrhunderts und mit ungebremst fortschreitendem Klimawandel. Der Preis dafür ist aber recht hoch: Die Berechnungen der Forschenden zeigen, dass der Wasserverbrauch für Kunstschnee erheblich steigen wird – für das gesamte Skigebiet um rund 80 Prozent. In einem durchschnittlichen Winter gegen Ende des Jahrhunderts beliefe sich der Verbrauch also auf rund 540 Millionen Liter Wasser, im Vergleich zu heute 300 Millionen Liter.
Allerdings ist diese Bedarfssteigerung noch relativ moderat im Vergleich zu anderen Skigebieten, betonen die Forschenden. Frühere Studien hatten gezeigt, dass sich beispielsweise der Wasserverbrauch für die Beschneiung im Skigebiet Scuol um das 2,4- bis 5-fache steigern wird, weil dort die beschneite Fläche stark vergrössert werden muss, um die Schneesicherheit zu garantieren.
In der Studie werden Perioden von 30 Jahren betrachtet. Allerdings gibt es grosse jährliche Schwankungen: Im schneearmen Winter 2017 verdreifachte sich der Wasserverbrauch für die Beschneiung eines der drei Teilgebiete von Andermatt-Sedrun-Disentis.
Konflikte bei der Wassernutzung
Heute kommt ein Teil des Wassers für die Beschneiung des grössten Teilgebietes von Andermatt-Sedrun-Disentis aus dem Oberalpsee. Zu diesem Zweck dürfen jährlich maximal 200 Millionen Liter entnommen werden. Setzt sich der Klimawandel ungebremst fort, wird das zwar noch bis Mitte des Jahrhunderts reichen. Danach müssten jedoch neue Wasserquellen erschlossen werden. «Am Oberalpsee wird auch Strom mit Wasserkraft erzeugt», so Dr. Maria Vorkauf, Erstautorin der Studie, die inzwischen bei der Forschungsanstalt Agroscope arbeitet. «Hier werden wahrscheinlich Konflikte zwischen dem Wasserbedarf für das Skigebiet und jenem für die Stromerzeugung entstehen.»
Zunächst dürfte dieses Skigebiet jedoch sogar vom Klimawandel profitieren: Wenn tiefer gelegene und kleinere Skigebiete schliessen müssen, konzentriert sich der Tourismus auf grosse und höher gelegene Gebiete, wie beispielsweise Andermatt-Sedrun-Disentis.
Fest steht, dass die verstärkte Beschneiung die Kosten und damit auch die Preise für die Skiferien in die Höhe treiben wird. «Irgendwann können sich Personen mit durchschnittlichem Einkommen solche Ferien schlicht nicht mehr leisten», so Erika Hiltbrunner. (Universität Basel/mc/ps)
Originalpublikation
Maria Vorkauf, Robert Steiger, Bruno Abegg and Erika Hiltbrunner
Snowmaking in a warmer climate: an in-depth analysis of future water demands for the ski resort Andermatt-Sedrun-Disentis (Switzerland) in the twenty-first century.
International Journal of Biometeorology (2022), doi: 10.1007/s00484-022-02394-z
Forschungsgruppe Physiologische Pflanzenökologie
Universität Basel