Zürich – Digitalisierung verstärkt die Ökonomisierung der Arbeit. Als Gegengewicht sind Inspiration und aktive Beziehungsgestaltung zentrale Erfolgsfaktoren in der Führung.
Von Jürg Eggenberger, Geschäftsleiter SKO
Die Ökonomisierung der Arbeit fokussiert Inhalt, Aufgaben sowie Rahmenbedingungen der Arbeitsgestaltung auf wirtschaftliches Handeln unter Marktbedingungen. Globalisierung und Digitalisierung verstärken den Druck auf Organisationen, effizient und kostensparend zu produzieren und neue Dienstleistungen und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Durch die globale Informatisierung können Produktions- und Lieferketten problemlos internationalisiert und Rationalisierungsstrategien global ausgerichtet werden. Sie machen dabei nicht Halt bei der Flexibilisierung von Arbeitsmodellen, Jobverlagerungen in Ländern mit tieferen Löhnen und der Automatisierung von Arbeitsplätzen. Durch Nutzung digitaler Möglichkeiten in der Kommunikation und „smart working“-Ansätze werden auch Arbeitsplatzkosten eingespart.
Wertschöpfungsbeitrag ersetzt Arbeitspräsenz
In der Wissensgesellschaft gewinnt das Konzept an Bedeutung, Arbeitsleistungen von Beschäftigten nicht an ihrer Präsenz, sondern an der Auftragserfüllung zu messen. Damit wird die Arbeit direkt an ihre Wertschöpfung gekoppelt; Prozesse werden auf ihren Wertschöpfungsbeitrag hin ausgerichtet. Beschäftigte übernehmen Steuerungsaufgaben, die früher von Vorgesetzten koordiniert wurden: sie organisieren ihren Arbeitseinsatz und die Zusammenarbeit mit anderen, balancieren unterschiedlichste Erwartungen aus und priorisieren Leistungsanforderungen selber. Einen weiteren Beitrag zur Kosteneffizienz leisten flache Hierarchien und die Selbststeuerung und Handlungsautonomie der Mitarbeitenden; sie bedingen sich gegenseitig. Klassische Koordinations- und Hierarchieklammerfunktionen werden dadurch obsolet.
Digitalisierung treibt Ökonomisierung der Arbeit
Die Digitalisierung der Prozesse verarbeitet Daten schnell zu Informationen, um Verbesserungspotenziale in den Arbeitsprozessen aufzuzeigen und die Performance der Mitarbeitenden zu verbessern. Die Digitalisierung macht die Wertschöpfung von Mitarbeitenden transparent und vergleichbar. So werden auf Crowdworking-Plattformen freischaffende Projektmitarbeitende per Mausclick bewertet und ihre Honorare im Rahmen eines Vergütungswettbewerbs festgelegt. Je mehr Spuren eine Arbeitskraft im Netz hinterlässt, desto transparenter wird ihr (potentieller) Wertschöpfungsbeitrag.
Führung zwischen Wertsteigerung und Werten
Die Gestaltung von Veränderungen wird Teil des Führungsalltags. Strukturen und Hierarchien verlieren ihre stabilisierende Wirkung. Die Führungskraft ist permanent gezwungen, Dinge infrage zu stellen, Effizienzpotenziale zu identifizieren und Optimierungen anzustossen, um Auftragsschwankungen zu begegnen und die Organisation im Wettbewerb überlebensfähig zu halten. Doch die Ökonomisierung hat seine Grenzen. Es braucht ein stabilisierendes Gegengewicht, will man die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Belegschaft nicht gefährden. Reines kopflastiges Effizienzdenken führt zur Vernachlässigung von Ideen und Werten. Ideen braucht es für die Innovationskraft. Sinn und Werte schaffen Orientierung und sorgen für Zusammenhalt.
Integrationsleistung durch Beziehungsmanagement und Inspiration
Veränderungen können zudem immer weniger ohne Einbezug verschiedener Mitarbeitergruppen umgesetzt werden, weil ihr Wissen und ihre Steuerungsleistung für den Erfolg von Veränderungen entscheidend sind. Dabei geht es auch um die Berücksichtigung unterschiedlichster Präferenzen verschiedener Mitarbeitergruppen, um ihre Integration und um ein gemeinsames Verständnis für übergeordnete Ziele. Um verschiedene Mitarbeitergruppen zu erreichen, setzt die Führung auf individuelle, unterstützende Beziehungsgestaltung, Inspirationsquellen für verantwortungsvolles Handeln und Ideen und Raum für gemeinsame Erfahrungen und Förderung des Teamgeists. Diese drei Aspekte bieten eine Grundlage dafür, sich einzusetzen, andere anstecken und Durststrecken zu überstehen. Damit die Organisation mehr als nur die Summe ihrer Einzelteile ist und nachhaltig Erfolg hat.