SNB-Sitz Bern. (© SNB)
Zürich – Die Schweizer Grossbanken haben zwar in den letzten zwölf Monaten ihre Kapitalpolster erhöht. Der Schweizerischen Nationalbank (SNB) genügt dies jedoch nicht. Sie fordert die beiden Grossbanken auf, weitere Massnahmen zu treffen.
Konkreten Handlungsbedarf bei den Grossbanken macht die SNB bei der Verschuldungsquote (Leverage Ratio) und bei den Vorkehrungen für den Fall eines Zusammenbruch der Institute aus. In beiden Punkten erfüllten zwar UBS und Credit Suisse die aktuellen Bestimmungen. Um die Anforderungen gemäss der verschärften «Too big to fail»-Gesetzgebung (TBTF2) und weiteren Reformen der internationalen Kapitalstandards des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht zu erfüllen, brauche es aber weitere Massnahmen, schreibt die SNB in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht zur Finanzstabilität.
Gemäss dem SNB-Bericht müssten beide Grossbanken – unter Voraussetzung unveränderter Risikopositionen – je rund 10 Mrd CHF an zusätzlichem Kapital aufnehmen, um die Anforderungen an die Leverage Ratio (TBTF2 look through, going concern) zu erfüllen. Dies sollten beide Banken laut SNB zum grössten Teil mit Ausgabe weiterer sogenannter CoCo-Bonds erreichen können, also mit Anleihen, die bei einer Unterschreitung von gewissen Kapitalquoten automatisch in Eigenkapital gewandelt würden.
Unverzichtbare Anforderungen
Die Anforderungen, die die Grossbanken auf Anfang 2020 erfüllen müssen, bezeichnet die SNB als unverzichtbar in Anbetracht dessen, dass UBS und Credit Suisse im Verhältnis zur Schweizer Wirtschaftskraft sehr gross seien. Die Nationalbank merkt zudem kritisch an, dass beide Grossbanken eine nach wie vor schlechtere Verschuldungsquote als der Durchschnitt der grossen global agierenden Banken aufweisen.
Das grösste Verlustrisiko besteht gemäss SNB dann, wenn die USA in eine Rezession stürzen sollte. Ebenfalls massive Auswirkungen hätte ein Wiederaufflammen der Schuldenkrise in Europa oder eine Krise in den Emerging Markets. Der Inhalt des diesjährigen Stabilitätsbericht wurde an den Finanzmärkten nicht gut aufgenommen. Am Nachmittag notierten CS 3,1% und UBS 1,3% tiefer (SMI -0,6%).
Die Banken selber sind mit dem Inhalt des Stabilitätsbericht denn auch nicht ganz glücklich oder betonen, dass es sich um nichts neues handelt. Die UBS etwa schreibt in einer Stellungnahme: «Wir nehmen den Bericht zur Kenntnis. Wir stimmen einer Reihe von Einschätzungen nicht zu, der Bericht enthält allerdings keine relevanten, neuen Erkenntnisse.» Die CS ihrerseits schreibt, dass sie bereits früher angekündigt habe, zusätzliches Kapital im Rahmen der heute kommunizierten SNB-Anforderungen zu schaffen.
Gut kapitalisierte Inlandbanken
Zur finanziellen Situation der Inlandbanken stellt die Nationalbank eine Stabilisierung fest. Obwohl die Kreditausleihungen weiter zugenommen hätten, habe die finanzielle Widerstandskraft der Inlandbanken nicht gelitten, hält die SNB in ihrem Bericht fest. Diese Konstanz ist das Ergebnis auseinander laufender Entwicklungen.
Auf der einen Seite hat gemäss SNB sowohl das Risiko eines Immobilienmarkt-Crashs als auch das Volumen der Hypothekarkredite 2015 zugenommen. Die Banken hätten im vergangenen Jahr zudem auch verstärkt Hypotheken an der Belastungsgrenze der Hypothekarnehmer vergeben. Das Verlustrisiko bei der Krise ist demnach auch im vergangenen Jahr weiter angestiegen.
Auf der anderen Seite hätten die Inlandbanken jedoch gleichzeitig weiteres Kapital aufgebaut und die Hypothekarzinsen leicht erhöht. Beides erhöhe die Widerstandskraft. Die SNB stellt denn auch fest, dass die Inlandbanken genügend Kapital haben, um eine Krise überstehen zu können. Die meisten Banken lägen sogar mit 5 Prozentpunkten über den Anforderungen.
Ein signifikant dickeres Kapitalpolster als vorgeschrieben attestiert die Nationalbank auch den systemrelevanten Inlandbanken ZKB und Raiffeisen Gruppe, für die schärfere Anforderungen gelten. Für die dritte systemrelevante Inlandbank, die Postfinance, gelten die höheren Anforderungen erst ab Juli 2016.
Kein Grund zur Entwarnung
Für die SNB ist dies jedoch kein Grund zur Entwarnung. Denn die Spannungen auf dem Immobilienmarkt könnten weiter zunehmen, schreibt die Nationalbank. Sollten nämlich die Preise weiter steigen, werde die Gefahr grösser, dass durch einen Anstieg der Zinsen der Immobilienmarkt markant einbreche.
Die SNB sieht zudem die Gefahr, dass die Inlandbanken wegen dem verstärkten Konkurrenzkampf höhere Risiken bei der Vergabe von Hypothekarkrediten eingehen. Auch das erhöhe das Verlustrisiko der Inlandbanken, sollte es zu einer Zinserhöhung und zu einem Einbruch der Preise im Immobilienmarkt kommen. Heute lägen die Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt mehr als 300 Basispunkte unter dem Niveau von 2008, erinnerte SNB-Direktoriumsmitglied Fritz Zurbrügg am Donnerstag in seiner Rede: «Somit würde selbst eine Rückkehr der Zinsen auf ein früher übliches Niveau eine deutliche Korrektur darstellen.»
Die SNB will die Situation weiter verfolgen und bei Bedarf eine Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers prüfen. (awp/mc/upd/pg)