So wohnt die Schweiz: Grosse Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Zürich – Das Leben wandelt sich ständig. Die Pandemie hat gezeigt, dass Veränderungen manchmal schneller und radikaler passieren als erwartet oder gewünscht. Auch die Wohnsituation von vielen Schweizerinnen und Schweizern steht Kopf. Die Scout24-Gruppe ist diesem Thema mit einer repräsentativen Umfrage und einer Datenerhebung auf den Grund gegangen.
Die letzten 15 Monate waren eine Achterbahnfahrt mit vielen Umstellungen im Alltag. Die Corona-Krise hat nicht nur unser Reiseverhalten oder unsere Jobsituation beeinflusst, sondern auch unsere Wohnsituation. Was geblieben ist oder gar verstärkt wurde, ist der Wunsch nach Eigentum – vor allem bei den Generationen Y und Z und damit der jüngeren Käuferschichten. Das zeigen nun eine aktuelle Datenerhebung sowie eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts intervista im Auftrag von FinanceScout24 und ImmoScout24.
Realität: Mieten statt kaufen
Die Mehrheit der Schweizer:innen wohnt zur Miete, und das am häufigsten in Basel oder Zürich. Mittelgrosse Wohnungen von 51 bis 90 qm gewinnen dabei seit Jahren an Beliebtheit. Auffällig bei der Wohnnachfrage ist eine Verdoppelung der Interessenten innerhalb von 12 Monaten seit Mai 2019, mit einem Hoch im Januar 2021. Dies deutet auf ein stärkeres Interesse und/oder auch einen durch Corona beeinflussten Wunsch nach Veränderung der Wohnsituation hin. Auch die Anzahl an Seitenbesuchen auf ImmoScout24, die seit der Pandemie deutlich angestiegen sind, spiegelt diesen Trend wider. Im November 2020 lag der Wert mit über 7.4 Millionen Besucher rund 30 Prozent über Vorjahresniveau. Aktuell verzeichnet die Plattform sogar 8.1 Millionen monatliche Besucher.
Finanzierung vom Eigenheim noch immer Männersache
Beim Kauf von Immobilien klafft die Geschlechter-Schere weit auseinander. So werden 81 Prozent aller Hypotheken von Männern abgeschlossen. Im Schnitt sind sie 42 Jahre alt und somit um drei Jahre jünger als Frauen und verdienen mit durchschnittlich 139’000 Franken im Jahr über 30 Prozent mehr. Auch beim Liegenschaftswert hinken Frauen hinterher: Bei Männern liegt dieser im Durchschnitt bei 876’000 Franken und ist somit um 131’000 Franken höher als bei Frauen. Dementsprechend fällt die durchschnittlich angefragte Summe für eine Hypothek bei Frauen um rund 8 Prozent niedriger aus.
Fast 90 Prozent träumen vom Eigenheim
Obwohl die meisten Schweizer derzeit öfter mieten statt kaufen, würde die Mehrheit gern im eigenen Haus leben: Lediglich 14 Prozent der Bevölkerung zwischen 19 und 79 Jahren haben keinen Wunsch nach Wohneigentum. Vor allem bei den 20- bis 29-Jährigen ist das Bedürfnis, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, sehr stark ausgeprägt. «Der Traum vom Eigenheim rückt bei den steigenden Preisen für viele aber in weite Ferne: Die Tragbarkeitsrechnung mit einem Zinssatz von 5 Prozent übersteigt oft die Möglichkeiten und die Hürde von 20 Prozent Eigenkapital sowie steigenden Kaufpreise sind für viele heute unüberwindbar», erklärt Jan Hinrichs, Managing Director von FinanceScout24.
Trend 2021: Urban, mit Balkon und nachhaltig
Wenn Schweizer kaufen, dann am liebsten mit viel Platz – mindestens 91 qm müssen es sein. Grosse Kaufobjekte erfreuen sich seit 2017 steigender Beliebtheit mit einem Höchstwert im April 2021. Hier ist die Anzahl an Interessenten im Vergleich zu 2017 pro Objekt um das Dreieinhalbfache gestiegen. Wer weiterhin mietet, sucht bevorzugt mittelgrosse Objekte (51 bis 90 qm). Egal ob Kaufen oder Mieten – das wichtigste Kriterium bei der Suche nach dem richtigen Zuhause ist die Wohnlage. Bestimmt wird diese – trotz Homeoffice – noch immer stark vom Arbeitsplatz.
Spannend zu beobachten ist ebenfalls, dass sich seit Beginn der Pandemie die Nachfrage nach einem Balkon um ein Vielfaches gesteigert hat: Satte 1.4 Millionen mehr Anfragen gab es 2020 im Gegensatz zum Vorjahr. Seit 2017 hat sich der Wunsch nach haustierfreundlichem Wohnraum vervierfacht und die Nachfrage nach Minergie gebauten Wohnungen und Häusern ist um mehr als das Doppelte gestiegen. Der Trend zur Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz zeigt sich also auch im Wohn-Verhalten.
Langzeitauswirkungen auf Wohnsituation noch offen
Die Corona-Krise hat unser Leben bereits geprägt und Veränderungen sichtbar gemacht. «Was sich heute abzeichnet, ist eine grosse Kluft zwischen der bestehenden Wohnsituation und der Idealvorstellung des eigenen Wohnens, geprägt von finanziellen Hürden. Aber auch die wachsende Nachfrage nach Aussenwohnbereichen sowie tierfreundlichem und nachhaltigem Wohnraum deutet auf einen bevorstehenden Wandel hin, der sich bereits seit Jahren abgezeichnet hat», so Martin Waeber, COO Scout24. (Scout24/mc/pg9