Spanien: Gibraltar tritt Schengen-Raum bei

Spanien: Gibraltar tritt Schengen-Raum bei
Flughafen Gibraltar mit dem sogenannten Affenfelsen im Hintergrund.

Madrid / Gibraltar / London – Spanien und Grossbritannien haben sich im letzten Augenblick grundsätzlich darauf geeinigt, Gibraltar in den Schengen-Raum mit offenen Grenzen aufzunehmen. Damit werde vermieden, dass die Grenze zwischen Spanien und Gibraltar am Südzipfel der Iberischen Halbinsel ab dem 1. Januar 2021 zu einer undurchlässigen EU-Aussengrenze werde, sagte Spaniens Aussenministerin Arancha Gonzalez Laya am Donnerstag in Madrid. Stattdessen wird sich Gibraltar nun als eine überraschende Folge des Ausscheidens Grossbritanniens aus der EU enger an Spanien und die Europäische Union binden.

Beim Brexit-Referendum 2016 hatten 96 Prozent der 33’000 Einwohner Gibraltars für den Verbleib in der EU gestimmt. Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo äusserte sich sehr erfreut über die Grundsatzeinigung. «Wir haben die schlimmsten Folgen des Brexits vermieden», sagte er.

Auch der britische Premierminister Boris Johnson begrüsste die gefundene Lösung. Grossbritannien werde die Interessen Gibraltars und die britische Souveränität immer verteidigen, schrieb er auf Twitter. Der britische Aussenminister Dominic Raab zeigte sich erfreut, dass eine «politische Rahmenvereinbarung» erzielt werden konnte. Damit sei die Grundlage für einen separaten Vertrag zwischen Grossbritannien und der EU über Gibraltar gelegt. «Wir werden dies nun der EU-Kommission schicken, um Verhandlungen über ein formelles Abkommen aufzunehmen», betonte Raab.

Verhandlungen unter immer grösserem Zeitdruck
Spanien und Grossbritannien hatten bis zuletzt unter immer grösserem Zeitdruck über eine Brexit-Regelung verhandelt. Das britische Überseegebiet ist nicht Teil des Abkommens von Heiligabend zwischen der EU und Grossbritannien. Die Gespräche liefen bilateral zwischen Madrid auf der einen sowie Grossbritannien und Gibraltar auf der anderen Seite. Gonzalez Laya versicherte, Spanien werde während der Aushandlung eines formellen Gibraltar-Abkommens zwischen London und Brüssel nichts an der Grenze zum Affenfelsen ändern.

Allerdings sind noch komplizierte Fragen zu klären. Die EU-Aussengrenze würde sich mit einer Aufnahme Gibraltars in den Schengen-Raum an den internationalen Flughafen und den Hafen des Überseegebiets verlagern. Dort soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex zum Einsatz kommen – zunächst ohne spanische Beamte. Die Aufsicht über die Frontex-Kontrollen werde nach den Worten von Gonzalez Laya aber Spanien ausüben müssen. Das ist Gibraltar ein sensibler Punkt, denn Spanien macht Grossbritannien die Souveränität über den Affenfelsen seit 300 Jahren streitig.

Noch wesentlich schwieriger wäre es, wenn Madrid nach einer Übergangsfrist darauf bestehen würde, dass spanische Beamte in Gibraltar kontrollieren, zum Beispiel einreisende Briten. Madrid betont jedoch, Spanien sei bei den anderen Schengen-Staaten in der Pflicht, die Aussengrenze zu kontrollieren. Grossbritannien könne das nicht, weil es nicht zum Schengenraum gehört und Gibraltar nicht, weil es kein Staat sei.

Frontex soll Souveränität Gibraltars nicht beeinträchtigen
Picardo bestätigte die Angaben zum Einsatz von Frontex, bekräftige aber zugleich, die Souveränität Gibraltars werde nicht beeinträchtigt. Er dankte ausdrücklich dem linken spanischen Regierungschef Pedro Sánchez und Aussenministerin Gonzalez Laya für ihre Verhandlungsführung. Sie hätten die strittige Frage der Souveränität beiseite gestellt im Interesse der Menschen im Süden Spaniens und Gibraltars. «Wir stehen am Beginn einer Zone gemeinsamen Wohlstands», sagte der Labour-Politiker.

Im Raum stand die Warnung von Gonzalez Laya, dass ohne eine Einigung die Grenze Spaniens zu Gibraltar mit Beginn des neuen Jahres zur EU-Aussengrenze geworden wäre. In kleinerem Massstab hätten dann ähnliche Szenen wie beim Lastwagenstau vor Dover in Grossbritannien gedroht, warnte die Ministerin.

Jeden Tag überqueren 15’000 Menschen aus Spanien die Grenze morgens Richtung Gibraltar, um dort zur Arbeit zu gehen, und kehren abends wieder zurück. Bisher müssen sie nur ihren Personalausweis vorzeigen und werden durchgewunken. Allerdings kommen in Zeiten ohne Corona rund sieben Millionen Touristen pro Jahr hinzu. Wenn die alle Reisepässe vorlegen müssten, wäre der einzige Übergang hoffnungslos überlastet und auch die Arbeitnehmer würden kaum noch durchkommen. (awp/mc/ps)

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