SPIEGEL TV Magazin: Wer schützt die Umwelt vor den Umweltschützern?
(Bild: Screenshot SPIEGEL-TV)
Hamburg – So ein bisschen schizophren hört sich das mit der Mülltrennung in Europa schon an. Und den Durchblick haben nicht einmal Akteure, wie der Pressesprecher der Berliner Stadtreinigung. SPIEGEL-Autor Alexander Neubacher zeigt in der Verfilmung seines Buches „Ökofimmel – Wie wir versuchen, die Welt zu retten – und was wir damit anrichten», den alltäglichen Wahnsinn der europäischen Müllverordnungen. Eingeladen hatte die Konrad Adenauer Stiftung aus Bremen zur ersten Aufführung vor Publikum ins Bremerhavener Auswandererhaus. Ein Thema, dass offenbar auf den «Nägeln brennt». Mehr als 200 Gäste wurden von KAS-Landesbeauftragten Ralf Altenhof begrüsst.
Für Neubacher geht es um das „Feedback“. Ob er richtig liegt mit seiner Ansicht, die ihn leicht in die Ecke des Umweltfrevels rücken könnte, wenn er die unverständlichen „Sortiervorschriften“ ins Visier nimmt. Vier Kinder habe er, eine Ehefrau und fünf Mülltonnen, so sein Credo, das Spiegel TV in dem Film „Wer schützt die Umwelt vor den Umweltschützern“ dokumentiert.
Das ist nun einmal so
„Tut Ihnen der arme Pressesprecher, Bernd Müller, von den Berliner Stadtreinigern nicht auch ein bisschen leid“, fragt Neubacher, sein Publikum, das sich zuvor vor Lachen kaum halten konnte. Müller hatte versucht die Logik der Mülltrennung an Hand von mitgebrachten Abfällen zu erläutern. Warum die Saftflasche in die „Gelbe Tonne“ gehört und die Brauseflasche mit Pfand belegt sei, dem mochte der Pressemann auch keine Logik abgewinnen, aber es sein nun einmal so. Schlüssiger lässt sich da schon der Versuch erklären, die Flasche mit dem Toilettenreiniger loszuwerden. Also wenn die Flasche leer sei, so Müller, dann gehöre sie in die gelbe Tonne. Wenn da aber noch ein Rest drin ist, dann möge Neubacher sie zum Wertstoffhof bringen. Dort gäbe es nämlich eine Sondermüllannahme. Zwischenruf aus dem Publikum: „Besorg dir doch noch ne´ sechste Tonne, dann sparste den Weg zum Wertstoffhof.“
Gut zu wissen: Nussschalen gehören nicht in den Biomüll, Eierschalen auch nicht, saubere Pizzakartons kommen in den blauen Behälter, Bratpfannen in die orange Tonne, alte Medikamente müssen in den Sondermüll.
«Lex-Osram»
Einig ist sich Neubacher allemal mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der am Mittwochvormittag die Kommission erinnerte, dass es wichtigere Dinge gäbe, als die Krümmung der Gurken oder das Verbieten von Glühlampen. Der Sozialdemokrat hatte sich über die Verordnungswut der EU-Beamten beklagt, die wieder einmal gegen das sogenannte VW-Gesetz zu Felde ziehen. Neubacher widmet der Energiesparlampe, die von Umweltverbänden „durchgedrückt“ worden ist und für die sich der zuständige Kommissar Günther Oettinger nicht mehr verantwortlich fühlt, eine längere Sequenz in seinem Film. Während Thermometer wegen ihres Quecksilbergehaltes verboten wurden, hat die Brüsseler Bürokratie eine Sonderregelung für die Energiesparlampe geschaffen, die auch als «Lex-Osram» bezeichnet wird. Unterdessen versucht der «grüne» Chef des Umweltbundesamt, Jochen Flachbart, das gefährliche Nervengift „fast ungefährlich zu reden“. Man müsse die Lampen nur zur Sondermüllentsorgung in einen „Wertstoffhof“ bringen, so der Rat des höchsten deutschen Umweltschützers.
Überhaupt hat Neubacher Schwierigkeiten die grüne Umweltpolitik zu verstehen. Aber aufklären will ihn die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast auch nicht. Warum aus Biodiesel inzwischen Argodiesel geworden ist, erklärt sich Neubacher mit der Überlegung, dass die Grünen wohl gemerkt hätten, dass Diesel keine „Bio-Eigenschaften“ unter Beweis stellen könne und es auch nicht zu der derzeit grünen Kampagne „Bio gehört auf den Teller und nicht in den Tank“, passt. Künast sonst recht wortgewaltig, will die Interpretation ihrer ehemaligen Wortschöpfung heute lieber der Pressestelle überlassen.
Mülltrennung, Wassersparen oder Energiesparlampe – Spiegel Reporter Alexander Neubacher hinterfragt den Sinn alltäglicher Umweltschutzmassnahmen. Eine SPIEGEL TV Magazin Schwerpunktsendung über den „Ökfimmel“:
Das Buch ist bereits zum siebten Mal nachgedruckt worden. Es erschien im SPIEGEL-Verlag, Hamburg (Europaticker/mc/ps)
Leseprobe
Ich bin für Umweltschutz, die Natur liegt mir am Herzen. Ich mag die Tiere und die Pflanzen, den blauen Himmel und das Meer. Ich möchte, dass meine Kinder in einer intakten Umgebung aufwachsen, und ich gehe mit gutem Beispiel voran. Ich kann von mir behaupten, niemals auch nur ein Papiertaschentuch ins Gebüsch geworfen zu haben.
Zum Brötchenholen fahre ich mit dem Rad; auf Dienstreisen nehme ich den Zug. Sämtliche Toilettenspülungen bei uns zu Hause sind mit einer Wasserstopptaste ausgerüstet. Ich bevorzuge Milchprodukte, die ein Biosiegel tragen, auch wenn sie ein paar Cent teurer sind. Eier aus Käfighaltung kommen mir nicht ins Haus, und wenn ich Wurst oder Fleisch esse, plagt mich neuerdings ein schlechtes Gewissen.
Ich trenne meinen Müll. Auf unserer Einfahrt stehen, symmetrisch geordnet, vier Tonnen: rechts blau für Papier und gelb für Plastik, links braun für Gartenabfälle und grau für den Rest. Das sieht nicht schön aus. Es riecht auch etwas streng, zumal an Sommertagen, wenn ich gern draussen sässe. Doch mir ist klar, dass ich Opfer bringen muss.
Seit kurzem haben wir eine fünfte Tonne, die »Wertstofftonne «, wie ich dem Brief der Berliner Stadtreinigungsgesellschaft entnahm. Als ich eines Abends von der Arbeit kam, stand sie da, grell orange, 240 Liter Fassungsvermögen. Dem Begleitschreiben zufolge ist sie für Elektrokleingeräte, Metalle, Datenträger und »Alttextilien in Tüten« gedacht, aber auch für Spielzeug, was immer die Leute von der Stadtreinigung damit anfangen mögen.
In unserer Einfahrt ist es nun noch enger geworden, aber daran werde ich mich bestimmt gewöhnen. Immerhin kann man die Tonne nicht übersehen, nicht einmal nachts, sie leuchtet im Dunkeln. Ich denke darüber nach, eine sechste Tonne für das Altglas anzuschaffen, das wir bislang provisorisch in einem Karton an der Kellertreppe untergebracht haben. Mit sechs Tonnen wäre auch die Symmetrie wieder hergestellt. Ich sorge mich wegen des Treibhauseffekts. Dass sich die Erde aufheizt, deckt sich zwar noch nicht mit meiner Alltagserfahrung – ich habe eher das Gefühl, dass es kälter wird –, aber das kommt bestimmt noch; ich vertraue der Forschung.
Wenn die Wissenschaftler sagen, die Menschheit müsse ihr Verhalten ändern, dann widerspreche ich nicht. Die Welt soll gerettet werden? Ich bin dabei, ich tue mein Bestes. An mir soll es nicht scheitern.