Stephan Rüdlinger, CEO Raurica Wald AG. (Foto: zvg)
von Robert Jakob
Moneycab.com: Herr Rüdlinger, Sie sehen eine grosse Zukunft für das Stammholz der Buche in der Bauwirtschaft. Warum?
Stephan Rüdlinger: Wir sprechen häufig von Buche statt Beton. Denn es ist heute möglich, mit verleimten Buchenprodukten wie Brettsperrholz (BSP) oder Brettschichtholz (BSH) sehr hohe Festigkeiten zu erzielen, welche den Bau von mehrstöckigen Häusern in reinen Holzkonstruktionen ermöglicht. Möglich und teilweise explizit gewünscht sind auch reine Holz-/Holz-Verbindungselemente.
Eine Alternative zu Stahl und Beton… Ist das nicht etwas übertrieben?
Keineswegs. Brettschicht- und Brettsperrholz sowie Decken- und Wandelemente aus Buchenholz eröffnen dem Holzbau neue Möglichkeiten im mehrgeschossigen Wohnungs- und Gewerbebau und bei öffentlichen Bauten. Die hohen Festigkeitswerte der Holzbauteile ermöglichen es, bei vielen Anwendungen die Baustoffe Stahl und Beton zu ersetzen. Durch das reduzierte Holzvolumen entstehen zudem elegante, schlanke Holztragwerke.
Buchenholz schafft eine angenehme Raumatmosphäre und steht als regional nachwachsender Rohstoff mit einer vorteilhaften Energiebilanz für Nachhaltigkeit.
In Vendlincourt bauen Sie über Ihre Beteiligung Fagus Jura SA an einem grossen Verarbeitungszentrum. Auf wann ist die Eröffnung vorgesehen?
Hier hat sich für uns eine neue sehr interessante Möglichkeit in Les Breuleux eröffnet. Durch die Schliessung der dortigen Parkettfabrik kann dieses Areal neu als Produktionsort genutzt werden. Dadurch kann die bestehende Infrastruktur genutzt werden und das initiale Investitionsvolumen kann markant gesenkt werden. Die Eröffnung der Produktion wird auf das die zweite Hälfte 2017 geplant.
«Die hohen Festigkeitswerte der Holzbauteile ermöglichen es, bei vielen Anwendungen die Baustoffe Stahl und Beton zu ersetzen.»
Stephan Rüdlinger, CEO Raurica Wald AG
Wird dann Nordwestschweizer Holz in den Jura transportiert?
Ja, das kann durchaus sein. Ein Ziel von Fagus Jura ist die bessere Nutzung von Schweizer Buchenholz für die einheimische Bauindustrie. Dies schliesst verschiedene Regionen in der Schweiz mit ein.
Ihre mit Abstand grösste Beteiligung ist die Holzkraftwerk Basel AG. Sie produziert Wärme und liefert Strom für 6500 Haushalte. Allerdings nur in kälteren Monaten. Gäbe es irgendeine Möglichkeit, sie auch zu anderen Zeiten zu nutzen?
Das Holzkraftwerk Basel produziert zwischen September bis im Juni Wärme und Strom. Abhängig ist die Produktion von den äusseren Bedingungen. Sobald es zu warm wird, insbesondere in den Nächten, kann die Wärme nicht mehr abgesetzt werden, wodurch diese abgeführt werden muss und ausschliesslich der Strom abgesetzt werden kann. Dadurch kann die reine Stromproduktion über den Sommer nicht mehr wirtschaftlich durchgeführt werden. In den Sommermonaten wird zudem der jährliche Unterhalt durchgeführt. Durch diese regelmässige Wartung wird die Qualität gesichert und so erreicht das Heizkraftwerk Basel auch immer wieder Spitzenwerte in der Produktivität.
Dezentrale Kraftwerke haben ja im Moment starken Rückenwind. Sucht Raurica da vielleicht ein weiteres Investitionsobjekt?
Primär suchen wir als Lieferant interessante Möglichkeiten für Lieferverträge in dezentrale Kraftwerke. Hierbei können wir unsere Stärken ausspielen, dass wir die gesamte Logistikkette vom Wald bis zur Bewirtschaftung der Silostände anbieten können und hierbei eine hohe Liefersicherheit garantieren können. Wir sind allerdings weiterhin an einem Wachstum interessiert und prüfen dauernd, ob weitere Beteiligungen für uns möglich und sinnvoll sind.
Das Altholzrecycling, zusammengefasst in Ihrer 50%-Beteiligung Arba AG, leidet nicht unerwartet an Überkapazitäten. Was passiert in den nächsten Jahren mit dem vielen Holz?
In Muttenz haben wir im Juni das grösste Energieholzzentrum in der Region Basel eröffnet, mit einer komplett neuen Produktion für die Arba. Mit dieser Investition können wir die Lieferfähigkeit massiv erhöhen und auch Synergien mit dem Waldholz noch besser nutzen. Dadurch versprechen wir uns neue Absatzkanäle wie die Holzplattenindustrie, in die Pelletproduktion oder auch in Papier- und Betonwerke.
«Die Höhe der Schadenssumme in unserem Pilotprojekt zum Asienexport von Stammholz ist Gegenstand des laufenden Verfahrens.»
Die Tochterfirma Raurira Holzvermarktung wurde in Asien über den Tisch gezogen. Wieviel wird Sie das abschliessend kosten?
Der Verwaltungsrat der Raurica Holzvermarkung AG zog an der Generalversammlung vom 25. Juni 2016 Bilanz zu Vorfällen in unserem Pilotprojekt zum Asienexport von Stammholz, über welche die Aktionäre ab Dezember 2015 laufend informiert wurden. Aufgrund von Versäumnissen und Unregelmässigkeiten hat der Verwaltungsrat eine Straf¬anzeige gegen einen ehemaligen Mitarbeiter eingereicht und das Verfahren wurde eröffnet. Die Höhe der Schadenssumme ist Gegenstand des laufenden Verfahrens. Gleichzeitig wurden die internen Kontrollinstrumente überprüft und Massnahmen umgesetzt.
Abzocke mit Holz kommt in Asien häufig vor. Sie sind da nicht das einzige Opfer. Was läuft im Asiatischen Holzmarkt da generell schief?
Ich bin nicht sicher, ob man generell sagen kann, dass grundsätzlich etwas schief läuft. Beim Handel mit fremden Kulturen und weit entfernten Ländern herrschen generell andere Gesetze als in einem lokalen Markt. Mit geeigneten organisatorischen Massnahmen, finanzieller Absicherung und einer entsprechenden Grösse lässt sich auch ein solcher Markt ohne untragbar hohe Risiken bearbeiten. Für uns in unserer Konstellation ist dies allerdings in naher Zukunft keine Option.
In der Schweiz gelingt es ausgezeichnet, die verschiedenartigsten Interessengruppen zusammenzufügen. Hat das Vorbildfunktion als Geschäftsmodell für nachhaltige Entwicklung?
Ich bin überzeugt, dass es unerlässlich für unser Geschäftsfeld ist, dass wir die verschiedenen Akteure und Anspruchsgruppen zusammenbringen, um für die Waldbesitzer einen Wert zu erzeugen. Unser Ziel muss es sein, für den Endkunden einen Mehrwert zu schaffen, auch wenn das Holz aus dem Wald vielleicht in der Schweiz etwas mehr kostet als an anderen Orten. Hierzu muss man immer den Gesamtkontext aufzeigen können, wozu auch der Nutzen eines gesunden Waldes hervorgehoben werden muss.
Mit dem Umzug an den neuen Firmenstandort in Muttenz kommen Büros, Produktions- und Lagerhallen zusammen an einen Ort. Wie gross werden dadurch die Kostenersparnis und der Synergieeffekt sein?
Mit dem Umzug nach Muttenz ändern wir auch unsere Struktur. Wir werden die Firmen Raurica Wald AG, Raurica Immobilien AG, Raurica Holzvermarktung AG sowie die Arba AG zukünftig wie ein KMU führen. Das heisst, wir können in den Supportfunktionen voneinander profitieren. So ist es uns möglich, mit den bestehenden Kapazitäten der Raurica die Arba zu integrieren. Dadurch schaffen wir die Voraussetzungen, unser Wachstum fortzusetzen, ohne dass wir personell sofort wachsen müssen. Für Nettoeinsparungen ist ein Wachstum insbesondere bei der Arba AG jedoch auch notwendig, da unsere Produktionskapazitäten in Muttenz zum heutigen Zeitpunkt noch lange nicht ausgeschöpft sind.
Zur Person:
Stephan Rüdlinger absolvierte die Ausbildung zum Betriebs- und Produktionsingenieur an der ETH Zürich. Nach dem Berufseinstieg bei der SBB Cargo AG in einem Management-Trainee-Programm war er als Assistent des Leiters Produktion tätig. Die erste Führungserfahrung konnte er als Leiter Supply Chain in der Firma Steinemann Technology AG sammeln, wo er nach zwei Jahren in die Geschäftsleitung aufsteigen konnte. Steinemann Technology AG ist unter anderem Weltmarktführer in der Herstellung von Breitbandschleifmaschinen für die Holzplattenindustrie (MDF, OSB, Span). Während dieser Zeit konnte er das executive MBA in Supply-Chain-Management an der ETH Zürich abschliessen. Nach 6 Jahren folgte die Rückkehr zu SBB Cargo als Leiter Supply Chain und Beschaffung mit der Verantwortung für den Gesamteinkauf sowie die Instandhaltungsplanung und –steuerung des gesamten Rollmaterials über mehrere Standorte in der Schweiz und Deutschland. Stephan Rüdlinger ist 41 Jahre alt und lebt mit seiner Frau und den zwei Kindern im Alter von 1 und 4 Jahren in Suhr (AG).
Zum Unternehmen:
Die Raurica Wald AG ist die Dachgesellschaft von fünf Unternehmen, welche sich entlang der Holz-Wertschöpfungskette positioniert haben: ausgehend vom Rohstoff aus dem Wald, über die Holz-Produktion, bis hin zum Recycling der Holzprodukte. Raurica Wald AG ist ein Unternehmen der Waldbesitzer der Region Nordwestschweiz. Ihnen gehören rund 80 Prozent der Aktien. Aktien der Serie A sind reserviert für öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten sowie für private (natürliche und juristische) Personen, die über Eigentum an Waldgrundstücken im Zwecksinn der Gesellschaft verfügen. Die Aktien der Serie B stehen allen Kapitalgebern ohne Einschränkungen zur Verfügung. Für den Kauf kleinerer Aktienpakete der Serie B bietet die Raurica Wald AG eine Sammelverwahrung an.