Am Anfang des Steuerstreits steht die UBS: Sitz der Grossbank in New York.
Bern – Der Steuerstreit entzweit die Schweizer Banken, den Bundesrat und die amerikanischen Justizbehörden seit fünf Jahren. Die Schweiz hat in dieser Zeit gelernt, dass Washington mit äusserst harten Bandagen kämpft.
Von amerikanischer Seite sind es zwei Behörden, welche die Schweizer Banken in die Mangel nehmen: Das Justizdepartement und die Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS). Das Schweizer Bankgeheimnis ist den USA zwar seit vielen Jahren ein Dorn im Auge. Die Lage eskaliert aber erst richtig im Frühling und Sommer 2008.
19. Juni 2008
Der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld erklärt sich vor einem amerikanischen Gericht schuldig, für Kunden der Schweizer Grossbank Geld am Fiskus vorbeigeschleust zu haben.
Birkenfeld arbeitete bis 2005 bei der UBS und hat danach die Bank beim amerikanischen Justizministerium schwer angeschuldigt. Bei der Betreuung reicher Kunden habe es ein eigentliches System der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegeben.
1. Juli 2008
Das Justizministerium in Washington will die UBS zur Herausgabe von Namen verdächtigter Kunden zwingen. Damit beginnt ein monatelanges Tauziehen zwischen der Bank, dem Bundesrat und den US-Behörden über die Herausgabe von Kontoinformationen, was mit den Regeln des Schweizer Bankgeheimnisses nicht in Einklang steht.
Hintergrund der Vorwürfe an die UBS ist das Qualified-Intermediary-Abkommen aus dem Jahr 2001. Das Abkommen sieht vor, dass in den USA steuerpflichtige Personen den US-Behörden ihre Dividenden- und Zinserträge aus der Schweiz offen legen oder auf Investitionen in US-Wertpapiere verzichten.
17. Juli 2008
Martin Liechti, Chef des Vermögensverwaltungsgeschäfts der UBS in den USA, und Mark Branson, sein Finanzchef, müssen vor dem amerikanischen Senat aussagen. Liechti, der seit dem Frühling die USA nicht mehr verlassen kann, verweigert die Aussage. Später spricht Liechti mit den Behörden, doch die Aussagen bleiben geheim.
Branson hingegen entschuldigt sich für das Fehlverhalten der Bank und kündigt an, dass die UBS keine amerikanischen Kunden mehr von der Schweiz aus betreuen werde («Offshore Banking»).
Am selben Tag geht ein Amtshilfegesuch der USA in der Schweiz ein, um Unterstützung bei den Ermittlungen gegen die UBS zu erhalten. Mitte September geht die erste Beschwerde gegen die Aushändigung von Kundendaten in die USA beim Bundesverwaltungsgericht in Bern ein.
19. Februar 2009
Die UBS und die Schweiz gehen vor den USA in die Knie. Gegen die Zahlung von 780 Mio USD erkauft sich die UBS, die im Oktober 2008 wegen Fehlspekulationen vor dem wirtschaftlich Kollaps stand, eine Atempause.
Der Bundesrat und die Finanzaufsichtsbehörde Finma hatten die UBS zur vorläufigen Einigung gedrängt. In der Schweiz wird davon gesprochen, dass das Bankgeheimnis sturmreif geschossen worden sei. In die Kritik gerät auch Finanzminister Hans-Rudolf Merz.
Auch gegen die Finma und ihren Präsidenten, den ehemaligen UBS-Banker Eugen Haltiner, wird die Kritik lauter. Zudem verbietet einige Tage später das Bundesverwaltungsgericht die Herausgabe von Daten. Zu diesem Zeitpunkt sind aber schon Informationen ausgehändigt worden. Die USA machen aber weiter Druck und verlangen die Daten von 52’000 UBS-Kunden.
19. August 2009
Die Schweiz und die UBS einigen sich mit den US-Behörden auf die Übergabe von 4450 Datensätzen. Justizministerin Widmer-Schlumpf betont vehement, das Abkommen verletze Schweizer Recht nicht.
Laut dem Justiz-, Finanz- und Aussendepartement dürfen Kontoinformationen auf dem Amtshilfeweg an die USA weitergereicht werden. Das amerikanisch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen erlaubt auch Amtshilfe bei der Hinterziehung grosser Steuerbeträge.
22. Januar 2010
Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde einer Amerikanerin gut und stoppt mit diesem Pilotentscheid die Lieferung von Kontendaten amerikanischer UBS-Kunden an die amerikanischen Behörden. Der Vergleich vom August ist bedroht.
Im Anschluss beschliesst der Bundesrat gezwungenermassen, das Amtshilfeabkommen mit den USA, einen Staatsvertrag, dem Parlament zur Genehmigung zu unterbreiten. Der Ständerat stimmt zu, der Nationalrat zunächst wegen des Widerstands von SP und SVP nicht. Die SVP schwenkt später um, das Parlament heisst den Vertrag gut.
Für die UBS bedeutet dies, dass sie ihre Differenzen mit den USA letztlich beilegen kann. Die Schweiz verhandelt aber weiterhin mit den USA über eine so genannte Globallösung für den gesamten Finanzplatz.
1. November 2010
Eveline Widmer-Schlumpf übernimmt von Hans-Rudolf Merz die Leitung des Finanzdepartements.
Februar 2011
Die Verhaftung eines Bankers der Credit Suisse (CS) nährt Spekulationen, dass der zweitgrössten Bank der Schweiz eine ähnliche Klage drohen könne, wie sie zwei Jahre davor der UBS das Leben schwer gemacht hatte.
15. Juli 2011
Nachdem einzelne aktuelle oder ehemalige CS-Mitarbeiter in den USA angeklagt wurden, gerät die CS selbst ins Visier der Behörden. Die US-Behörden untersuchen die Praktiken der Grossbank. Ein Vorwurf der Behörden lautet, die CS und andere Schweizer Banken hätten UBS-Kunden nach 2009 angeworben und ihnen versprochen, weiter unentdeckt nicht deklarierte Gelder verwalten lassen zu können.
Im Sommer einigt sich die Schweiz mit Deutschland und Grossbritannien auf ein Abgeltungsabkommen. Während das britische Parlament dem Abkommen schliesslich zustimmt, scheitert der Vertrag mit Deutschland am Widerstand der von SPD und Grünen geführten Bundesländer.
Das Abgeltungsabkommen wird weiterhin als Variante diskutiert, mit der die Probleme mit den USA gelöst werden könnten.
7. September 2011
Die US-Behörden geben keinen Kommentar ab zu Berichten in Schweizer Medien, wonach es ein amerikanisches Ultimatum zur Übergabe von Informationen an die Schweiz gegeben habe.
Die USA haben inzwischen neben der CS weitere Banken im Visier. Die HSBC Schweiz, die Basler und Zürcher Kantonalbanken, Julius Bär, die Bank Wegelin, die Liechtensteinische Landesbank, die nicht mehr aktive Neue Zürcher Bank sowie die israelischen Banken Leumi, Hapoalim und Mizrahi stehen unter Druck, Kundendaten zu liefern. Einige bereiten sich darauf vor, Strafzahlungen leisten zu müssen.
Im November wird bekannt, dass die CS Kunden über die bevorstehende Aushändigung von Daten informiert. Die Bank beruft sich dabei auf Amtshilfegesuche aus den USA und das Doppelbesteuerungsabkommen.
9. Dezember 2011
Das US-Justizministerium verlangt von den Schweizer Banken, die im Fokus der US-Justiz stehen, Details zu ihrem Geschäft mit den US-Kunden. Dazu gehören die Namen von Kundenberatern. Das schweizerische Recht verbietet aber die direkte Herausgabe von Dokumenten mit Namen von Mitarbeitenden oder anderen Dritten.
4. Januar 2012
Drei Banker der St. Galler Bank Wegelin, der ältesten Schweizer Privatbank, werden in New York wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Sie sollen Gelder von ehemaligen UBS-Kunden angenommen haben, mit der Zusage, deren unversteuerte Gelder seien bei der Bank Wegelin sicher.
18. Januar 2012
Der Bundesrat entscheidet, dass codierte Bankdaten ans US-Justizministerium geliefert werden dürfen. Den Schlüssel zur Decodierung sollen die USA im Rahmen von Aufsichtsamts- und Rechtshilfeverfahren erhalten – oder wenn eine globale Lösung im Steuerstreit vereinbart ist.
27. Januar 2012
Der Steuerstreit erfährt eine dramatische Zuspitzung. Die Wegelin-Besitzer verkaufen unter dem Druck der USA ihr Nicht-US-Geschäft an die Raiffeisen Gruppe. Nur das US-Geschäft verbleibt unter der Kontrolle der Wegelin Bank. Die Bank war als Ganzes in die Schusslinie geraten.
16. März 2012
Das Schweizer Parlament erklärt sich mit Gruppenanfragen aus den USA einverstanden und stimmt einer entsprechenen Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens zu.
4. April 2012
Der Bundesrat erlaubt den Banken auch die Herausgabe von uncodierten Daten über Bankmitarbeiter und Drittpersonen an die USA.
11. April 2012
Das Bundesverwaltungsgericht stoppt auf die Klage eines CS-Kunden die Lieferung von Kundendaten der Credit Suisse an die USA, weil seiner Ansicht nach das amerikanische Amtshilfegesuch den Anforderungen nicht genügte.
4. Dezember 2012
Die Schweiz und die USA einigen sich auf die Einführung des «Foreign Account Tax Compliance Act» (FATCA) voraussichtlich 2014. Damit wollen die USA erreichen, dass sämtliche Auslandskonten von US-Steuerpflichtigen besteuert werden können.
Widmer-Schlumpf sagt, der Finanzplatz müsse diese «Kröte schlucken». Im FATCA-Abkommen sieht sie aber eine gute Grundlage, um für alle Schweizer Finanzinstitute eine Globallösung zu finden.
3. Januar 2013
Die Bank Wegelin gibt in den USA ein Schuldgeständnis ab und gesteht damit ein, Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im März wird das Strafmass bekannt: Die Busse beläuft sich auf 74 Mio. Dollar.
21. März 2013
Auf ein präziser formuliertes Amtshilfegesuch der US-Steuerbehörde hin erlaubt das Bundesverwaltungsgericht die Lieferung von Kundendaten der Credit Suisse an die USA.
17. April 2013
Erneut werden im Steuerstreit zwei Schweizer wegen Beihilfe zu Steuerhinterziehung angeklagt. Betroffen ist ein Vertreter der Bank Frey sowie ein Partner einer Anwaltskanzlei.
18. Mai 2013
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sagt in einem Radiointerview, man stehe in den Verhandlungen kurz davor, ein Resultat präsentieren zu können. Sie weist auch darauf hin, dass die Lösung für die Banken «nicht gratis» zu kriegen sei.
24. Mai 2013
Michael Ambühl, der Schweizer Chefunterhändler der Verhandlungen um eine Globallösung, gibt seinen Rücktritt bekannt.
28. Mai 2013
Nach der UBS und der Credit Suisse sieht sich auch Julius Bär mit einer Gruppenanfrage konfrontiert. Die US-Steuerbehörde IRS reicht bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung ein Amtshilfegesuch gegen Kunden der Bank ein.
29. Mai 2013
Der Bundesrat verabschiedet ein Gesetz zur Beendigung des Steuerstreits. Es soll die Banken nach einem dringlichen Verfahren im Parlament ermächtigen, direkt mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten und einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. (awp/mc/ps)