Strategien für ein erfolgreiches Talentmanagement
Fachartikel von Wolfgang Schmidt-Soelch, Partner und Länderchef Schweiz bei Heidrick & Struggles, einem auf Vermittlung und Beratung von Führungskräften spezialisierten Unternehmen mit Niederlassungen in Zürich und Genf.
Zürich – Der Kampf um Fach- und Führungskräfte wird sich in Zukunft zuspitzen. 94 von rund 100 befragten Unternehmen in der Schweiz, Deutschland und Österreich prognostizieren mittelfristig einen akuten Engpass an qualifiziertem Personal. Ein effizientes und profesionelles Talentmanagement wird daher für Firmen immer wichtiger.
Modewort oder nachhaltiger Trend? Der Begriff Talentmanagement ist derzeit in aller Munde. „Das Talentmanagement bezeichnet die Gesamtheit personalpolitischer Massnahmen in einem Unternehmen zur langfristigen Sicherstellung der Besetzung kritischer Rollen und Funktionen. Das Talentmanagement ist eine Reaktion auf veränderte Bedingungen auf den globalen Märkten, die geprägt sind von einem schärfer werdenden Wettbewerb um qualifizierte und talentierte Mitarbeiter.“ So lautet zumindest die offizielle Definition von Talentmanagement.
Strategische Personalentwicklung im Fokus
Dahinter verbirgt sich ein Konzept, das die strategische Personalentwicklung im Fokus hat. Drei Faktoren lassen das Talentmanagement zu einem erfolgs- und wachstumskritischen Schlüsselkriterium für Unternehmen werden: Zum ersten hat das globale Wirtschaftswachstum dazu geführt, dass Unternehmen eine grössere Anzahl an Führungskräften benötigen, um das wirtschaftliche Wachstumspotenzial optimal auszuschöpfen. Zweitens gilt in den derzeitigen volatilen Märkten Flexibilität und damit ein proaktives Talentmanagement, das auf veränderte Wirtschaftssituationen reagieren kann, zu den unabdingbaren Erfolgsfaktoren für Unternehmen. Drittens führt der demographische Wandel zu einer absehbaren Verknappung qualifizierter Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt. Fazit: Der „War for Talent“ wird früher oder später ausbrechen – für Studierende gute Aussichten, für Unternehmungen eine Herausforderung. Nur wer ein strategisches Personalmanagement betreibt, wird auf den heutigen volatilen Märkten bestehen und für die Zukunft gut positioniert sein.
Unternehmen vor akutem Fach- und Führungskräftemangel
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass 95% der Unternehmen einen akuten Fach- und Führungskräftemangel auf uns zukommen sehen. Bemerkenswert ist auch, dass 75% der rund 100 von Heidrick & Struggles befragten Unternehmen davon ausgeht, dass der künftige personelle Engpass zur wirtschaftlichen Wachstumsbremse wird. Welche Massnahmen können dagegen ergriffen werden? Wir identifizieren drei Handlungsebenen, auf denen ein effizientes Talentmanagement angegangen werden muss: die strategische, kuturelle und instrumentelle Ebene.
Talentmanagement auch auf oberster Führungsebene verankern
Auf der strategischen Ebene muss sichergestellt, werden, dass das Talentmanagement auch auf oberster Führungsebene verankert wird. So müssen sich etwa Verwaltungsrat und Geschäftsleitung die Frage stellen, welche Fähigkeiten die Mitarbeitenden mitbringen müssen, um die Unternehmensziele zu erreichen. An diesen Anforderungen richtet sich dann die Rekrutierung und Weiterbildung von Fach- und Führungspersonen aus. Die am meisten genutzten Instrumente des strategischen Talentmanagements sind das Inventar, die SWOT-Analyse, die Szenario- und die Lückenanalyse. Aber obwohl 58% der Unternehmen beispielsweise ein Inventar (z.B. nach Alter, Fähigkeiten und Internationalität) durchführen, zeigte sich in der Untersuchung, dass das strategische Talentmanagement trotz dessen Relevanz noch immer zu wenig in den Unternehmen verankert ist. So geben weit weniger als die Hälfte der Befragten an, dass die Talentstrategie in ihrem Unternehmen Teil der Unternehmensstrategie sei und lediglich fünf Prozent der Befragten bestätigten, überhaupt über eine unternehmensweite strategische Personalplanung zu verfügen.
Einbindung in entsprechende Unternehmenskultur
Auf kultureller Ebene geht es darum, dass das Talentmanagement in eine entsprechende Unternehmenskultur eingebunden ist, die Talent in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns stellt. Talentmanagement wird in diesem Sinne nicht als Aufgabe der Personalabteilung gesehen sondern als zentraler Wettbewerbsfaktor und steht in einem engen Zusammenhang mit der erfolgreichen Talentmanagement-Performance. In ca. jedem dritten Unternehmen ist es jedoch unzureichend (27%) beziehungsweise gar nicht (3%) in allen Unternehmensbereichen verankert. Ein mindestens ebenso grosses Defizit liegt in der Nutzung der Talentmanagement-Instrumente durch die operativen Manager, die in den meisten Unternehmen mangelhaft ausfällt, was auf schlechte Verankerung und eine nicht gelebte Talent-Kultur zurückzuführen ist. Teilweise lässt sich die unzureichende Verankerung damit erklären, dass es sich beim Talentmanagement um eine relativ junge Disziplin handelt.
Klassisches Mitarbeitergespräch zuoberst auf Beliebtheitsskala
Hinsichtlich den Instrumenten des Talentmanagements steht das klassische Mitarbeitergespräch zuoberst auf der Beliebtheitsskala. Über 80 Prozent der befragten Unternehmen führen regelmässig solche Gespräche durch. Den zweiten Platz unter den Talentförderungs-Maßnahmen belegt das On-the-Job Training, gefolgt vom klassischen Führungstraining. Nur gerade jedes zweite Unternehmen entwickelt ihre Top-Mitarbeiter durch Off-the-Job Trainings und knapp die Hälfte der befragten HR-Manager gibt an, die Talente mit Coaching- und Mentoringmassnahmen zu fördern. Ein unbefriedigendes Ergebnis zeigt sich in der zielgerichteten Umsetzung: Weniger als ein Drittel der Unternehmen definieren ein qualitatives Ziel für ihre Talentförderung, was rückschlüssig bedeutet, dass eine Erfolgssteigerung durch effektives Talentmanagement weder angestrebt noch messbar gemacht werden kann. Die Talente erhalten in 73 Prozent der Fälle regelmässig Feedback zu ihrer Leistung, bekommen jedoch nur bei knapp über der Hälfte der Unternehmen Karriereoptionen und -pfade offen gelegt, die ihre Leistung und Motivation deutlich steigern würden.
Aktives Onboarding dank Accelerated Transition
Führungskräfte von aussen schnell und effizient ins Unternehmen zu integrieren, wird immer erfolgsentscheidender. Gezieltes Onboarding gilt als Geheimwaffe im Kampf um Talente. Mentoring, Coaching und Feedbacks gehören zum modernen Repertoire, enden aber meist nach den ersten 100 Tagen. Studien zeigen jedoch, dass die Phase der Desillusionierung erst nach sieben bis elf Monaten eintritt und rund 35 bis 45 Prozent aller neuen Manager nach 18 Monaten in ihrer neuen Position scheitern. Durch Accelerated Transition wird es den neuen Führungskräften ermöglicht, sich schneller in das Unternehmen zu integrieren, so dass diese ihr volles Potenzial effektiver einbringen können. Bei den meisten Unternehmen ist das Talentmanagement jedoch noch weitestgehend unentdeckt und unterentwickelt. (Heidrick & Struggles/mc/ps)