Strombranche warnt vor Strom-Winterlücke trotz Ausbauzielen
Aarau – Die Strombranche fordert den Ausbau von Wasser- und Windkraft und ein Stromabkommen mit der EU. Beides ist laut dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) nötig für die Versorgungssicherheit in der Schweiz.
Dabei bleibt insbesondere die Stromversorgung im Winter auch in Zukunft die grosse Herausforderung. Auch wenn die Ausbauziele für erneuerbare Produktionsquellen im Stromgesetz, das seit Anfang 2025 in Kraft ist, erreicht werden, vergrössere sich bis 2050 die Versorgungslücke in der kalten Jahreszeit, sagte VSE-Präsident Martin Schwab an einer Medienkonferenz am Donnerstag.
Zum einen steigt der Strombedarf: Der Verbrauch in der Schweiz dürfte bis 2050 um rund 50 Prozent auf rund 90 Terawattstunden steigen. Des Weiteren muss die Abschaltung der Kernkraftwerke ab den 2040er-Jahren kompensiert werden.
AKW-Laufzeit von 80 Jahren?
Die Ausbauziele im Stromgesetz müssten also zwingend erreicht werden. «Wir brauchen die 16 Wasserkraftprojekte aus dem Stromgesetz dringend, und je mehr Windkraft wir zubauen können, desto besser für die Stromversorgung, sagte Schwab.
Die Schweiz wäre ansonsten auf grosse Strommengen aus Gaskraftwerken angewiesen. Und je mehr Gaskraftwerke nötig seien, desto schwieriger und teurer werde es, die Klimaziele zu erreichen. Oder die Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt müssten bis 2050 Strom produzieren, sollten die Erneuerbaren-Ausbauziele nicht erreicht werden. Durch den Langzeitbetrieb beider AKW könnte der Bedarf nach Gaskraftwerken laut VSE um etwa die Hälfte verringert werden.
Doch selbst wenn die Ausbauziele erreicht werden, bleibt das Problem der Winterlücke bestehen. Der VSE analysierte daher vier Möglichkeiten für eine zusätzlichen Strom: Mehr Wind, zusätzliche Importe über das Stromgesetz hinaus, Gaskraftwerke (möglichst klimaneutral betrieben) oder Langzeitbetrieb von 80 Jahren mindestens eines bestehenden Kernkraftwerks. Bei allen vier Varianten geht der VSE zudem von Gaskraftwerken als Notreserve-Kraftwerke aus, die nur laufen, wenn nötig.
«Einsprachen müssen zurückgehen»
Welche Technologien sich letztendlich durchsetzen, hänge vom gesellschaftlichen und politischen Willen ab, sagte VSE-Präsident Schwab weiter. Er zeigte auf, wie schwierig die Umsetzung der Variante «Mehr Wind» ist: Um die Erneuerbaren-Ausbauziele im Stromgesetz zu erreichen, könnten bis 2050 bereits rund 500 Windräder nötig werden – abhängig vom Anteil der Solarproduktion. Das wäre angesichts der derzeit 47 Anlagen, die in der Schweiz Strom ins Netz speisen, eine Verzehnfachung.
Schwab betonte: Für den Ausbau der Erneuerbaren seien massiv mehr Akzeptanz, beschleunigte Verfahren und geeignete Finanzierungsbedingungen nötig. «Die Branche will investieren.» Man sei aber darauf angewiesen, dass die Einsprachen deutlich zurückgehen.
Die hiesige Versorgungssicherheit sei aber auch vom Abschluss eines Stromabkommens mit der EU abhängig, hiess es weiter. Denn mit einem Stromabkommen könnte die Schweiz viel mehr importieren und exportieren. Damit würde die Stromversorgung nicht nur stabiler werden, sondern auch günstiger. Mit einem Abkommen würden laut VSE auch die Kosten für Systemdienstleistungen für den Ausgleich des Stromnetzes und der Bedarf nach teuren Stromreserven im Inland sinken.
Im Sommer wiederum zeigt sich das andere Extrem: Mit einem hohen Anteil an Wasserkraft und dem laufenden Ausbau der Solarenergie kommt es in der warmen Jahreshälfte zu Strom-Überschüssen. Daher seien mehr Speicherkapazitäten und zusätzliche Flexibilitäten nötig, so der VSE. (awp/mc/ps)