Struktur zellulärer Ventile eröffnet neue Therapieansätze

Struktur zellulärer Ventile eröffnet neue Therapieansätze
(Illustration: UZH)

Zürich – UZH-Biochemiker haben den detaillierten Aufbau eines volumenregulierten Chloridkanals ermittelt. Dieses zelluläre Ventil wird aktiviert, um zu verhindern, dass die Zellen bersten, wenn sie anschwellen. Das Protein spielt auch eine wichtige Rolle in der Aufnahme von Chemotherapeutika und der Freisetzung von Neurotransmittern bei einem Hirnschlag. Den Chloridkanal gezielt zu regulieren, ist eine vielversprechende Strategie für neue Therapien.

Die Zellen des menschlichen Körpers sind von Membranen umhüllt und stehen mit ihrer Umgebung im osmotischen Gleichgewicht. Verringert sich die Konzentration gelöster Teilchen in der Flüssigkeit, die die Zellen umgibt, beginnen diese zu schwellen. Im Extremfall kann dies dazu führen, dass die Zellen bersten. Um dies zu verhindern, aktivieren die Zellen volumenregulierte Chloridkanäle (VRACs) der LRRC8-Protein-Familie. Nimmt das Zellvolumen durch einströmendes Wasser zu, öffnen sich diese Ventile in der Zellmembran. Negativ geladene Chloridionen und ungeladene Osmolyte treten aus und die Zelle nimmt wieder ihren ursprünglichen Zustand ein.

Aufbau eines volumenregulierten Chloridkanals
Obwohl sie erst vor fünf Jahren entdeckt wurden, sind bereits einige Eigenschaften dieser Zellventile bekannt: So steuern VRACs etwa die Aufnahme von Zytostatika in der Krebstherapie oder verursachen die unkontrollierte Ausschüttung von Neurotransmittern ins Gehirn als Folge eines Schlaganfalls. Bisher unbekannt war hingegen ihre räumliche Struktur und damit die Art und Weise, wie die Kanäle selektiv nur bestimmte Substanzen durch die Membran schleusen. Forschende am Biochemischen Institut der Universität Zürich haben dieses Rätsel nun gelöst. Das Team unter der Leitung von UZH-Professor Raimund Dutzler präsentiert erstmals die detaillierte molekulare Struktur eines VRACs, die mithilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie und Kristallstrukturanalyse bestimmt wurde. Zudem analysierten sie die Funktionsweise des Ionenkanals mit elektrophysiologischen Methoden.

Von der Form zur Funktion
Das VRAC-Eiweiss besteht aus sechs Untereinheiten. Angeordnet um eine gemeinsame Achse bilden diese den Kanal. Das Protein, das in der Zellmembran sitzt, enthält eine kleine Region, die nach aussen ragt, und einen grossen Bereich, die sich im Zellinnern befindet. Dieser innere Teil dürfte eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Kanals spielen. An der Aussenseite der Membran begrenzt eine Verengung die Porengrösse des Ionenkanals und fungiert als eine Art Filter. «In dieser Region besteht das Protein aus positiv geladenen Aminosäuren, die negativ geladene Chloridionen anziehen und durchschleusen. Grosse Teilchen jedoch werden daran gehindert, die Zellhülle zu durchqueren», sagt Raimund Dutzler.

Therapieansätze bei Gehirnschwellungen und Krebs
Mit ihrer Arbeit schaffen die UZH-Forschenden die Grundlage, die molekularen Mechanismen, mit denen Zellen ihr Volumen regulieren, besser zu verstehen. «Dieses Wissen liefert wertvolle Ansätze, um neue Medikamente zu entwickeln», betont Dutzler. Beispielsweise schwellen Astrozyten im Gehirn bei cerebraler Ischämie oder einem Schlaganfall an, wodurch der Neurotransmitter Glutamat ausgeschüttet wird – mit schädlichen Folgen für die Betroffenen. Entsprechend dürften Substanzen, die den Ionenkanal gezielt blockieren, zu neuen Behandlungsmöglichkeiten führen. Eine andere Anwendung zeichnet sich in der Krebstherapie ab: Lässt sich das Zellventil selektiv aktivieren, würde das die Aufnahme von Zytostatika in die Krebszellen verbessern. (UZH/mc/ps)

Literatur:
Dawid Deneka, Marta Sawicka, Andy K. M. Lam, Cristina Paulino, and Raimund Dutzler. Structure of a volume-regulated anion channel of the LRRC8 family. Nature. May 16, 2018. DOI: 10.1038/s41586­018-0134-y

Projektfinanzierung
Das Projekt wurde mit Mitteln des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) unterstützt. Die Kryo-EM-Daten wurden mit Elektronenmikroskopen des Zentrums für Mikroskopie und Molekulare Bildgebung der UZH aufgenommen, die mit massgeblicher Unterstützung der Mäxi-Siftung beschafft wurden. Die Röntgenkristallographiedaten wurden am Schweizer Synchrotron des Paul Scherrer Instituts gesammelt.

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