Zürich – Das Credit Suisse Research Institute (CSRI) veröffentlicht einen neuen Forschungsbericht mit dem Titel «The global food system: Identifying sustainable solutions». Dies ist die erste CSRI-Publikation unter dem neuen Verwaltungsratspräsidenten António Horta-Osório. Der Bericht untersucht die Diskrepanzen bei der Lebensmittelproduktion und -verschwendung und beschreibt Lösungen zur Reduktion der geschätzten jährlichen Kosten von USD 13,6 Bio.
Ein nachhaltiges globales Ernährungssystem kommt nicht nur der menschlichen Gesundheit zugute, sondern begünstigt auch das globale Ökosystem. Derzeit sind jedoch beinahe 700 Millionen Menschen unterernährt, während gleichzeitig 40 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung übergewichtig oder adipös sind. Einige Studien deuten darauf hin, dass 20 Prozent aller Todesfälle unter Erwachsenen auf ernährungsbedingte Risiken zurückgehen. Die Erzeugung und insbesondere der Konsum von Nahrungsmitteln müssen sich deutlich verändern, damit wir diese Probleme meistern können. Hürden, die es zu überwinden gilt, sind unter anderem eine schärfere Regulierung und eine kritische Überprüfung des globalen Landwirtschaftssektors.
Nahrungsmittelerzeugung und -verbrauch haben einen enormen ökologischen Fussabdruck
Mangelernährung ist nicht der einzige Grund, weshalb sich das globale Ernährungssystem ändern muss. Nahrungsmittelerzeugung und -verbrauch verursachen bereits jetzt deutlich über 20 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen und mehr als 90 Prozent des weltweiten Trinkwasserverbrauchs (siehe Report: Water scarcity: Addressing the key challenges). Die Analyse deutet darauf hin, dass sich der ökologische Fussabdruck des globalen Ernährungssystems in den kommenden Jahrzehnten deutlich verschlechtern könnte, wenn nicht gehandelt wird. Das erwartete Wachstum der Weltbevölkerung auf etwa 10 Milliarden Menschen bis 2050 und eine weitere Änderung der Ernährungsgewohnheiten in der wachsenden Mittelschicht der Schwellenländer könnten dazu führen, dass die ernährungsbedingten Emissionen um weitere 46 Prozent zunehmen und der Bedarf an landwirtschaftlichen Nutzflächen um 49 Prozent steigt. Dies verträgt sich nicht mit dem Ziel, bis 2050 weltweit Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
Verlust und Verschwendung von Nahrungsmitteln – es gibt Handlungsbedarf
Die Herausforderungen mit Blick auf Mangelernährung und den ökologischen Fussabdruck könnten teilweise gelöst werden, wenn wir Verlust und Verschwendung von Nahrungsmitteln gezielter bekämpfen würden. Über 30 Prozent der erzeugten Nahrungsmittel gehen entweder verloren oder werden verschwendet – allein im Jahr 2019 wurden Lebensmittel im Wert von etwa USD 408 Mia. nicht verkauft oder nicht verzehrt. Die geschätzten ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Kosten der Nahrungsmittelverschwendung belaufen sich laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) auf insgesamt USD 2,6 Bio. Ein Ende der Nahrungsmittelverschwendung nur in den USA und in Europa könnte das weltweit verfügbare Nahrungsmittelangebot um zehn Prozent erhöhen. Lösungen müssen auf die gesamte Lieferkette abzielen, da Verlust und Verschwendung von Nahrungsmitteln zu ungefähr 50 Prozent während der Produktions- und Verarbeitungsphase und zu 45 Prozent während der Vertriebs- und Verbrauchsphase auftreten.
Nicht nachhaltige Nahrungsmittelversorgung: Wer ist am stärksten bedroht?
Das globale Ernährungssystem ist mit zahlreichen Herausforderungen zugleich konfrontiert – konkret mit Unterernährung, Adipositas, dem ökologischen Fussabdruck sowie der Nahrungsmittelerzeugung und -verschwendung. Doch diese Erschwernisse betreffen nicht alle Länder in derselben Weise. Daher dürften sie unterschiedliche Lösungen und Strategien benötigen. Der vom «Barilla Center for Food and Nutrition» entwickelte «Food Sustainability Index» zeigt, dass Frankreich, die Niederlande und Kanada die besten Nachhaltigkeitswerte erzielen, während Russland, Bulgarien und die Vereinigte Arabische Emirate am schlechtesten abschneiden. Unterschiedliche Regionen stehen bezüglich Nachhaltigkeit vor unterschiedlichen Herausforderungen: Industrieländer stehen mit Blick auf Ernährungsgewohnheiten und Nahrungsmittelverschwendung schlechter da, derweil Schwellenländer bei Nahrungsmittelverlust und der allgemeinen Lebensqualität Verbesserungsbedarf aufweisen.
Ernährungsgewohnheiten müssen sich ändern
Eine Umstellung zu einer stärker pflanzlichen Ernährung scheint unvermeidlich, wenn das globale Ernährungssystem nachhaltiger werden soll. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass eine pflanzenbasierte Ernährung nicht nur etwa 90 Prozent weniger Emissionen verursacht als die derzeitige Durchschnittsernährung, sondern auch die Chance birgt, die Zahl vorzeitiger Todesfälle unter Erwachsenen um circa 11 Millionen zu senken. Starkes Wachstumspotenzial besteht bei alternativen tierischen Proteinen: Dem Bericht zufolge kann der Markt für alternative Fleisch- und Milchprodukte von derzeit etwa USD 14 Mia. bis 2050 auf USD 1,4 Bio. wachsen. Auch wenn in diesem Sektor mehr als 600 zumeist kleine und private Unternehmen aktiv sind, rechnen die Verfasserinnen und Verfasser des Sustainable Food Reports damit, dass die traditionellen Nahrungsmittelunternehmen eine entscheidende Rolle spielen werden, da sie ihr Geschäft kontinuierlich stärker auf gesündere und alternative Nahrungsmittel ausrichten.
Landwirtschaft muss digitaler werden
Die Kombination aus anhaltendem Bevölkerungswachstum, steigender Kaufkraft und der schrumpfenden Ackerfläche pro Kopf deutet darauf hin, dass eine Anpassung der Ernährungsgewohnheiten womöglich nicht ausreichen wird, um das Ernährungssystem nachhaltiger zu gestalten. Weitere Produktionssteigerungen entlang der gesamten Nahrungsmittellieferkette in Industrie- und Schwellenländern können durch die flächendeckende Einführung neuer Technologien erreicht werden. Der Bericht nennt mehr als 70 Zukunftstechnologien, darunter Lösungen aus den Bereichen Vertikale Landwirtschaft und ortsdifferenzierter Präzisionslandwirtschaft.
Foodsharing, kreislaufbasierte Lösungen, Verpackung und Kühlung helfen beim Kampf gegen Nahrungsmittelverlust und -verschwendung
Derzeit gehen über 30 Prozent der Nahrungsmittel verloren oder werden verschwendet. Wenn wir diesen Anteil verringern, können wir das Ernährungssystem deutlich nachhaltiger gestalten. Nahrungsmittel spenden oder teilen (Foodsharing) wäre eine naheliegende und höchst effektive Lösung, um das Problem der Nahrungsmittelverschwendung zu bekämpfen. Kreislaufbasierte Lösungen können ebenfalls einen Beitrag leisten. Dabei werden Nahrungsmittelabfälle genutzt, um neue (Nahrungsmittel-)Produkte zu erzeugen. Zudem werden intelligente Verpackungslösungen entwickelt. Diese helfen nicht nur, den Produktionsertrag zu steigern, sondern insbesondere auch, Nahrungsmittelverlust und -verschwendung entlang der gesamten Lieferkette zu reduzieren – vom Acker bis zu den Endverbraucherinnen und -verbrauchern. Die Entwicklung und Umsetzung von Kühl- und Lagerlösungen könnte helfen, die Lebensdauer von Nahrungsmitteln weiter zu erhöhen.
Eugène Klerk, Leiter Global ESG & Thematic Research der Credit Suisse, erklärte: «Neben Verhaltensänderungen werden auch neue Technologien benötigt. Eine Anpassung der Ernährungsgewohnheiten wird womöglich nicht ausreichen, um das Ernährungssystem komplett nachhaltig zu machen. Unser Bericht zeigt daher eine Reihe von technologischen Lösungen auf, die das Potenzial haben, die Produktivität zu steigern, das Produktangebot zu erweitern und vor allem die Verschwendung zu reduzieren. Darüber hinaus stellt er innovative Unternehmen und ihre zukunftsweisenden Technologien zur Bewältigung dieser Herausforderungen vor.»
Michael Strobaek, Global Chief Investment Officer bei der Credit Suisse, kommentierte: «Nachhaltigkeit ist eine Entwicklung, womit Unternehmen adäquat und proaktiv umgehen müssen. Auch die Lebensmittelindustrie wird, wie andere Sektoren vor ihr, zunehmend von Investoren, Konsumenten und Regulierungsbehörden unter die Lupe genommen und dazu gedrängt werden, sich stärker um nachhaltige und vor allem gesunde Lebensmittel zu bemühen – ansonsten könnten erhebliche Haftungsrisiken drohen. Einige Bereiche dürften von diesem Wandel profitieren, darunter Technologieunternehmen, die «smarte Agrarlösungen» anbieten, Vertical Farming und Precision Farming sowie Unternehmen, die auf kreislaufbasierte Lösungen oder intelligente Verpackungslösungen setzen, oder in der Entwicklung und Umsetzung von Kühl- und Lagerlösungen tätig sind. Letztlich geht es darum, dass die Menschen insgesamt länger und gesünder leben. Ich bin überzeugt davon, dass Anleger hier eine zentrale Rolle spielen, indem sie diese aufkommenden Trends mit ihrem Kapitaleinsatz fördern.» (Credit Suisse/mc/ps)
Über den Bericht «The global food system: Identifying sustainable solutions» 2021
Der Bericht analysiert die Herausforderungen, die damit einhergehen, dass wir das globale Ernährungssystem nachhaltiger machen müssen – und einige der möglichen Lösungen. Die Analyse legt den Schwerpunkt auf Gesundheitsprobleme, die entstehen, wenn Menschen zu viel, zu wenig oder das Falsche essen. Darüber hinaus gehen die Autoren den Fragen nach, welche Rolle die Erzeugung und der Verbrauch von Nahrungsmitteln in der Debatte zum Klimawandel spielen und was wir ändern müssen, um hier eine Verbesserung zu erreichen. Im Rahmen ihrer Analyse schätzen die Studienautoren die Kosten, die ein nicht nachhaltiges Ernährungssystem für die Weltwirtschaft verursacht, und wie gross die Umweltbelastung des Ernährungssystems noch werden könnte, wenn wir nicht handeln. Die Verfasser präsentieren eine Reihe technologischer Lösungen, die helfen könnten, einige dieser Herausforderungen anzugehen. Nicht zuletzt betrachten sie auch einen Wandel hin zu einer stärker pflanzlich geprägten Ernährung als unverzichtbar. Dies zeigt das starke strukturelle Wachstumspotenzial alternativer Nahrungsmittelhersteller auf.
Den Sustainable Food Report 2021 finden Sie unter:
https://www.credit-suisse.com/about-us/de/research-berichte/csri.html