Zürich – Die Ökonomen von Swiss Life erwarten bis Ende Jahr eine Abschwächung des Frankens auf 1,22 CHF zum Euro. Der Höhepunkt der expansiven Geldpolitik sei zwar überschritten. Doch die aufgeblähte Bilanz der Nationalbank dürfte die nächsten 10 Jahre nicht nur zu grossen Gewinnen führen.
Drei Jahre nach der Aufhebung des Euro-Franken-Kurses ist der Aufwertungsdruck auf den Franken laut den Ökonomen des Versicherungskonzerns Swiss Life definitiv gebrochen. Als mögliche Risiken, die eine Abwertung auf 1,22 CHF per Ende 2018 verhindern könnten, sehen sie die Wahlen in Italien, den Brexit und die Regierungsbildung in Deutschland.
Die grössten Spuren habe die Freigabe des Wechselkurses in der Bilanz der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Beschäftigungszahlen und im grenznahen Detailhandel hinterlassen, sagte Swiss-Life-Ökonom Marc Brütsch am Mittwoch vor den Medien. Nach seiner Schätzung gingen in der Industrie die letzten sieben Jahre 26’000 Jobs verloren.
Aufhebung des Mindestkurses hinterfragt
Die SNB befürchtete anfangs 2015, dass sie für die weitere Verteidigung des Mindestkurses rund 100 Mrd CHF aufwenden muss. Die Aufhebung habe sie aber geschätzte 50 bis 100 Mrd an Deviseninterventionen mehr gekostet, so Brütsch.
Aus heutiger Sicht stelle sich die Frage, ob sich die Aufhebung vor drei Jahren gelohnt habe, sagte er weiter. Der Anleihenchef von Swiss Life, Daniel Rempfler, betont, dass damals eine grosse Unsicherheit herrschte und ein Auseinanderbrechen der EU befürchtet wurde. Rückblickend sei der Entscheid wohl richtig gewesen.
Trotzdem könne man die rekordhohe Bilanz der SNB von derzeit über 800 Mrd CHF nicht ignorieren. Die aufgeblähte Bilanz würde sich nicht so schnell reduzieren und die SNB werde die nächsten Jahre nicht nur Gewinne machen. Dies sagte Rempfler einen Tag, nachdem die SNB einen Rekordgewinn von 54 Mrd bekannt gab.
Abrupter Ausstieg erhöht Staatsverschuldung
Obwohl der Höhepunkt der expansiven Geldpolitik jetzt erreicht sei, rechnen die Swiss-Life-Ökonomen damit, dass die Europäische Zentralbank (EZB) das Anleihenkaufprogramm im Herbst erneut verlängert werde. «Die EZB kann sich nicht erlauben, abrupt aufzuhören mit den Anleihenkäufen, da sich Euro-Peripherieländer wie Italien die Marktzinsen noch nicht leisten könnten», so Rempfler.
Hielte die EZB die Zinsen nicht weiter künstlich tief, würde etwa in Italien die bereits hohe Staatsschuldenquote auf griechische Verhältnisse steigen. «Die EZB ist sich ihrer grossen Rolle an den Staatsanleihenmärkten bewusst», führte Rempfler aus.
Daran werde sich auch nichts ändern, wenn der jetzige EZB-Präsident Mario Draghi nächstes Jahr durch einen Nachfolger ersetzt werde wie den deutschen Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann, der eine straffere Geldpolitik fordert.
Der Schweizerischen Nationalbank sind aus Sicht der Ökonomen die Hände gebunden, solange die EZB die Zinsen nicht erhöht. Die EZB dürfte sich nicht vor dem ersten Halbjahr 2019 bewegen, schätzen sie. (awp/mc/ps)