SZKB Marktkommentar: Richtungsweisend
Angela Merkels Regentschaft neigt sich nach 16 Jahren dem Ende zu. In dieser Zeit hat Deutschland seine gute Position im globalen Wettbewerbsfähigkeits-Ranking gehalten, hat sich der Leistungsbilanzüberschuss um die Hälfte erhöht (für einige nicht nur positiv) und ist die Wirtschaft klar stärker gewachsen als etwa diejenige von Frankreich, Grossbritannien oder der Eurozone als Ganzes. Zudem hat der deutsche Leitindex DAX deutlich mehr zugelegt als beispielsweise der französische CAC 40, der britische FTSE 100 oder der Stoxx Europe 600. Aller Kritik und Unkenrufe zum Trotz fällt die ökonomische Bilanz im Quervergleich so schlecht nicht aus.
Am 26. September wählt Deutschland ein neues Parlament. Eine Wahl unter speziellen Vorzeichen. Zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 stellt sich keine Amtsinhaberin zur Wahl und bewerben sich nicht zwei, sondern drei Kandidatinnen für das Kanzleramt. Zudem wird der Wähleranteil der stimmenstärksten Partei so tief ausfallen wie noch nie und der Vorsprung dürfte äusserst gering sein. Den bisherigen Tiefstwert für die stärkste Partei hält die CDU/CSU mit 32.9% der Stimmen bei der Bundestagswahl 2017. Das ZDF-Politbarometer sah per Ende August die CDU/CSU und die SPD mit jeweils 22% knapp vor den Grünen mit 20%. Das heisst, dass mit ziemlicher Sicherheit eine Zweiparteien-Koalition nicht ausreichen wird, um eine Mehrheitsregierung zu bilden, sondern sich – wie zuletzt in den 1950er-Jahren – drei Parteien finden müssen.
Es ist eine richtungsweisende Wahl. Von der Regierungszusammensetzung hängt ab, ob und für wen es zu höheren oder tieferen Steuern kommt, wie streng die Budgetdisziplin sein wird, ob sich die EU in Richtung Fiskalunion entwickeln könnte, wie rasch der ökologische Umbau erfolgt, usw. usf. Welche Konstellation letztlich zustande kommt, ist derzeit völlig offen. Sehr wahrscheinlich scheint einzig eine Regierungsbeteiligung der Grünen, was mehr öffentliche Ausgaben zur Folge haben würde. Etwas ausgeprägter in einer Koalition mit der SPD, etwas weniger mit der CDU/CSU.
Wie werden die Märkte reagieren? Vermutlich wenig bis gar nicht – sofern es nicht noch überraschend zu Verschiebungen der Kräfteverhältnisse kommt, die beispielsweise eine starke Rolle der Linken wahrscheinlich machen. Die wochen- oder gar monatelange Ungewissheit bezüglich der Kanzlerfrage, der Regierungszusammensetzung und der konkreten Inhalte im Koalitionsvertrag mag für die Märkte ärgerlich sein, wird sie aber kaum spürbar bewegen. So spannend die Wahl und die Regierungsbildung werden, die Markreaktion dürfte «überschaubar» ausfallen. (SZKB/mc)