T. Rowe Price: Ansteckungseffekte scheinen begrenzt, doch die Bankenpleiten führen zu erheblichen Risiken
Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB), auf den zwei Tage später der Kollaps der Signature Bank folgte, löste eine Schockwelle an den Aktien- und Anleihemärkten aus. Zudem haben diese Ereignisse erhebliche Auswirkungen auf den Bankensektor, die Wirtschaft und die Private-Equity-Märkte.
Matt Snowling, Portfoliomanager der Financial Services Equity Strategy in der U.S. Equity Division bei T. Rowe Price, legt seine Sicht auf den Bankensektor dar und erläutert, wie er und sein Team versuchen, durch Risikomanagement und das Aufspüren von Anlagechancen die Spreu vom Weizen zu trennen. David DiPietro, Leiter des Centralized Private Equity Teams (CPET) des Unternehmens, erörtert, wie sich der Zusammenbruch der SVB auf die Risikokapitalbranche (Venture Capital, VC) und das Startup-Ökosystem auswirken könnte.
„Extremfälle“ bergen ein gewisses Risiko für eine grössere Ansteckungswelle
„Für viele Banken“, so Matt Snowling, “erscheinen die Risiken beherrschbar und stellen wahrscheinlich eher ein Problem für die Gewinn- und Margenentwicklung dar als eine existenzielle Bedrohung.“ Seiner Ansicht nach ist der US-Bankensektor im Allgemeinen gut kapitalisiert, und viele Regionalbanken verfügen über reichliche Liquidität und solide Einlagen.
“Vor diesem Hintergrund erscheint der Zusammenbruch von SVB wie ein ‚Extremfall‘“, erläutert er. Das Ausmass der Risikofaktoren, die die Bank zu Fall brachten, erscheint einzigartig:
- Konzentration der Einlagen: Ein ausserordentlich hoher Prozentsatz der Einlagen bei der SVB überstieg den durch das Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) abgesicherten Höchstbetrag von USD 250.000. Zudem hatte sich das Kreditinstitut auf Start-ups aus dem Technologie- und dem Life-Science-Sektor spezialisiert: Laut Angaben auf seiner Website arbeitete es mit „fast der Hälfte“ aller Unternehmen mit Venture-Capital-Beteiligung zusammen. Als die Besorgnis über die Bank aufkam, rieten führende Risikokapitalunternehmen ihren Portfoliounternehmen dazu, ihre Barbestände bei der SVB abzuziehen, was Berichten zufolge allein am 9. März Abhebungen im Umfang von USD 42 Mrd. zur Folge hatte.1
- Laufzeiteninkongruenz: Nicht realisierte Verluste im umfangreichen Wertpapierportfolio der Bank, die durch den Anstieg des Zinsniveaus verursacht wurden, hätten ihr Eigenkapital aufgezehrt, da diese Wertpapierbestände liquidiert wurden, um den Abzug von Einlagen abzudecken. Unter diesen traditionellen Anlagen waren Hypothekenanleihen sowie US-Treasuries mit längerer Laufzeit ungewöhnlich stark gewichtet.
Die Schwäche der Signature Bank schien ähnliche Bedenken hinsichtlich ihres Wertpapierportfolios und ihrer konzentrierten Einlagenbasis widerzuspiegeln. Nach dem Zusammenbruch der auf Technologieunternehmen fokussierten SVB könnte auch die Besorgnis über das Engagement der Signature Bank in Unternehmen, die in den Bereichen Kryptowährungen und andere digitale Vermögenswerte tätig sind, zu dem Abzug von Einlagen aus der Bank beigetragen haben. Einige der Regionalbanken, deren Aktien am stärksten unter Druck geraten sind, weisen ebenfalls umfangreiche Einlagen der Venture-Capital-Branche auf.
Die bisher ergriffenen regulatorischen Massnahmen haben nach Meinung von Matt Snowling dazu beigetragen, wesentliche Bedenken auszuräumen.
Dazu zählen aus seiner Sicht die von der Fed eingerichtete Notkreditfazilität, durch die es weniger wahrscheinlich wird, dass angeschlagene Banken Teile ihrer Wertpapierportfolios mit Verlust verkaufen müssen. Die Kredite dieses Programms hätten eine Laufzeit von bis zu einem Jahr, wobei die hinterlegten Sicherheiten nicht zu ihrem aktuellen Marktwert, sondern zum Nennwert bewertet werden.
Nach Ansicht von Matt Snowling war die Entscheidung der FDIC, alle Einleger der SVB und der Signature Bank zu entschädigen, ein Schritt in die richtige Richtung.
Doch ob die Massnahmen der Regulierungsbehörden ausreichen, um weitere Bankinsolvenzen zu verhindern, bleibt abzuwarten. Matt Snowling glaubt, dass die Branche möglicherweise noch nicht über den Berg ist, da die Angst vor Ansteckungseffekten mit einem Abzug von Bankguthaben einhergeht. „Die Kapitalausstattung ist dieses Mal nicht das Problem. Es geht vor allem um Liquidität – und um Angst. Wenn sich die Lokalnachrichten um gefährdete Bankeinlagen drehen, ist klar, dass das Thema inzwischen die Psyche der Menschen belastet.“
Matt Snowling erläutert, dass das Finanzteam viel Zeit darauf verwendet hat, die Liquiditätsprofile der Banken zu analysieren, insbesondere die Höhe der verfügbaren Barmittel sowie die Art der Kunden und die Konzentration der Einlagenbasis. Konten von Privatkunden und Betriebskonten zum Beispiel weisen in der Regel viel stabilere Salden auf als die Konten grösserer Unternehmen. „Bei einer dauerhaften, kostengünstigen Finanzierung“, so Matt Snowling, „muss eine Bank nicht so viel Risiko eingehen, um mit einem Kredit eine bestimmte Rendite zu erzielen.“
Ein neuer Belastungsfaktor für die Weltwirtschaft
Die Nachwirkungen der ersten Bankinsolvenzen in diesem Zyklus könnten auch erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben. „Denken Sie an die natürliche Reaktion der Banken“, rät Matt Snowling. „Sie werden bei der Kreditvergabe wahrscheinlich konservativer und selektiver vorgehen, um ihre Liquidität zu schonen. Ein Anstieg der Kreditkosten und eine schlechtere Verfügbarkeit von Krediten wären nicht gut für die Wirtschaft.“
Berichte über Spannungen bei der europäischen Grossbank Credit Suisse haben die Angst vor Ansteckungseffekten an den internationalen Märkten verstärkt. Unsere Analysten in Asien, Europa und den Schwellenländern beobachten die Entwicklung der Einlagen genauer und prüfen die von ihnen beobachteten Unternehmen auf potenzielle Schwachstellen im Zusammenhang mit dem Wirtschafts- und Zinsumfeld. (T.Rowe Price/mc)