Theodor F. Kocher, CEO Espace Real Estate Holding AG. (Foto: zvg)
Interview von Robert Jakob
Moneycab: Herr Kocher, im gerade vergangenen Jahr gab es etliche Neuvermietungen. Mit wie viel Zusatz-Mietertrag rechnet Espace für 2016?
Theodor F. Kocher: Im Jahr 2016 werden tatsächlich beachtliche Neuvermietungen ertragswirksam. Andererseits haben wir eine Innensanierung von ca. 150 Wohnungen eingeleitet, die vorübergehend mit hohen Leerständen verbunden sein wird. Daraus entstehen im 2016 Ertragsausfälle. Wir haben auch den Verkauf einzelner Liegenschaften geplant, deren Erträge wegfallen werden. Gesamthaft planen wir aber einen höheren Erlös aus Vermietung als 2015.
Ihr Immobilienportfolio hatte per 30. Juni 2015 einen Marktwert von CHF 608 Millionen und wird weiter wachsen. Wollen Sie die Eigenkapitalquote deutlich über einem Drittel halten?
Die Eigenkapitalquote liegt seit Jahren zwischen 40 und 45 Prozent. Sie betrug am 30. Juni 2015 40.97 Prozent und der Anlagedeckungsgrad 42.47 Prozent. Espace will diese starke Eigenkapitalbasis beibehalten. Insbesondere in Zeiten einer unsicheren Wirtschaftsentwicklung und nicht absehbaren Tendenzen am Finanz- und Immobilienmarkt, will Espace dank einer soliden Finanzierung handlungsfähig bleiben.
«Wir handeln vorsichtig und nachhaltig. Die Finanzierungen sind grösstenteils langfristig, das heisst in der Regel für eine Dauer von zehn Jahren.»
Theodor F. Kocher, CEO Espace Real Estate Holding AG
Ihre Neubau-„Pipeline“ ist beachtlich. Werden Sie die Gunst der Stunde auch zu noch günstigeren Refinanzierungen nutzen können?
Natürlich nutzen wir bei Bedarf die Möglichkeiten, uns günstig zu refinanzieren. Espace verfügt über ausreichend Bauland an Standorten mit einer guten Nachfrage, weshalb dort schrittweise rentable Investitionen getätigt werden. Das vorhandene Bauland ist bereits ein wesentlicher Teil des Eigenkapitals für Neubauten. Aus Liegenschaftsverkäufen hat Espace zusätzliche Gewinne erzielt und mehrmals beachtliche neue Mittel erhalten. Espace schüttet vom Periodengewinn in der Regel circa 60 Prozent aus, die in der Gesellschaft verbleibenden 40 Prozent des Gewinns stärken unser Eigenkapital. Die Hauptaktionäre und das stabile Aktionariat von Espace bilden zudem gute Voraussetzungen, neues Eigenkapital zu schöpfen.
Die Verzinsung Ihres Fremdkapitals mit augenblicklich 2.8 Prozent erscheint mir aber in der jetzigen Zinslandschaft hoch…
Wir handeln vorsichtig und nachhaltig. Die Finanzierungen sind grösstenteils langfristig, das heisst in der Regel für eine Dauer von zehn Jahren. Dadurch entsteht eine Absicherung gegen Zinsanstiege, und unsere Finanzierungskosten sind planbar. Die Kehrseite dieser Strategie ist aber, dass Espace nur bei Neufinanzierungen und bei fälligen Refinanzierungen von tieferen Konditionen profitieren kann. Anfang 2016 haben wir etliche günstige Finanzierungen abgeschlossen. Die mittlere Verzinsung ist dadurch auf rund 2.4 Prozent gesunken. Wir gehen davon aus, dass künftige Finanzierungen günstiger abgeschlossen werden können als die bestehenden.
«Mit den drei Seen und dem Jura ist das Seeland eine attraktive Wohngegend – auch für Pendler, die in Zürich, Lausanne und Genf arbeiten.»
In der Region Seeland wurden letztes Jahr 50 Prozent mehr Baubewilligungen für Mehrfamilienhäuser erteilt. Wird jetzt plötzlich „auf Halde“ gebaut?
Ist die Ausgangslage tief, zeigt die Statistik rasch eine Erhöhung um 50 Prozent! In der Region Seeland bestand bis vor wenigen Jahren im Wohnungsbau ein überdurchschnittlicher Bedarf an Wohnungen. Zusätzlich wurden die Anbindungen an die Wirtschaftszentren Zürich, Basel und Genf stark verbessert. Mit den drei Seen und dem Jura ist das Seeland eine attraktive Wohngegend – auch für Pendler, die in Zürich, Lausanne und Genf arbeiten. Deshalb werden Neubauten und sanierte Liegenschaften vom Markt gut aufgenommen. Die Region ist dadurch auch für Investoren interessant geworden.
Hat die Masseneinwanderungsinitiative Ihrer Meinung nach Rückwirkungen auf die Immobilienpreise?
Bis heute hat Espace keine konkreten Auswirkungen festgestellt. Mittelfristig ist mit einem geringeren Bevölkerungswachstum zu rechnen. Das ist aber nur eine der massgebenden Wachstumskomponenten des Wohnungsmarktes. Weiterhin wird sich der Wohnraumbedarf pro Person tendenziell erhöhen. Ein laufender Grundbedarf an neuem Wohnraum wird daher bleiben.
Im Bieler Wohnpark „Les Amis“ werden Espace-Mieter plötzlich automatisch zu Genossenschaftern. Ist das ein Modell der Zukunft oder nur aus der gemeinsamen Bauträgerschaft mit der Baugenossenschaft Mettlenweg heraus als freundschaftlicher Kompromiss entstanden?
In Biel und auch in Zürich sind das verbreitete Investitions- und Wohnmodelle, für die eine beachtliche Nachfrage besteht. Alle Mieter sind gleichzeitig auch Genossenschafter. Die Genossenschaft bietet kostengünstig Nebenleistungen an, zum Beispiel Fitnessstudio, Kinderbetreuung, Mittagstisch, Einkaufshilfe, Fahrdienst oder Gästezimmer. Für Espace bedeutet die Überbauung eine Investition in ein besonderes und vor Ort nachgefragtes Segment an einem attraktiven Standort. Der Wohnparkt „Les Amis“ ist für Espace eine gezielte marktorientierte Investition.
Auf dem Schüsspark-Areal in Biel verfügt Espace noch über Baugrund für weitere 120 Wohnungen. Was ist geplant?
Espace plant, dort in zwei Etappen Wohnungen zu realisieren.
Gewerbe-, Büro- und Industrieimmobilien machen die Hälfte des Espace-Portfolios aus. Liegen Sie mit diesem Anteil noch im strategisch festgelegten Bereich?
Espace hat vor Jahren die Anlagestrategie in erster Linie auf neue Wohnliegenschaften ausgerichtet, die auf eigenem Bauland erstellt werden. Gleichzeitig sind wir daran, das Portfolio zu verjüngen. Die Liegenschaften mit guten Ertragsaussichten werden saniert. Einzelne Liegenschaften, die für die Zwecke von Espace nicht sanierungswürdig sind, werden verkauft. Die Umsetzung dieser strategischen Stossrichtungen führt zu einer Verminderung des Anteils an Gewerbe-, Büro- und Industrieimmobilien. Ihr Anteil am Sollmietertrag ist in den letzten drei Jahren um 6.5 Prozent gesunken und wird weiter sinken.
«Eine Region oder einen Ort, wo regelmässig Schnäppchen angeboten werden, gibt es nicht.»
Sie haben in Ihrem Immobilienportfolio auch eine Liegenschaft in Zürich Opfikon. Ich nehme nicht an, dass Sie dort gross an Zukäufe denken.
Eine Erweiterung der Investitionen im Raum Zürich ist nicht geplant. Eine Investition in eine rentable und gut gelegene Liegenschaft würden wir aber ernsthaft prüfen.
Wegen der hohen Preise am Schweizer Immobilienmarkt entwickelt Espace Objekte lieber selbst, als teuer zuzukaufen. Dennoch: Wo finden sich in Ihrem Einzugsgebiet noch am ehesten „Schnäppchen“?
Eine Region oder einen Ort, wo regelmässig Schnäppchen angeboten werden, gibt es nicht. Die Immobilienverkäufer kennen den Markt bestens und verschenken nichts. Gelegentlich kommt es aber vor, dass eine Liegenschaft mit Entwicklungspotenzial zu einem wirklich attraktiven Preis erworben werden kann.
Zur Person:
Theodor F. Kocher, Schweizer Staatsbürger, Jahrgang 1954, studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Neuenburg und Bern. Von 1997-2001 war er Gruppenleitungsmitglied der Batigroup und zwischen 2002 und 2004 als selbstständiger Rechtsanwalt und Notar tätig. Vorsitzender der Geschäftsleitung der Espace Real Estate Holding AG ist er seit 2005.
Zum Unternehmen:
Espace Real Estate Holding AG (Espace) ist eine Immobilienanlagegesellschaft mit Anlageschwerpunkt im schweizerischen Mittelland und dem Kanton Schaffhausen. Sie investiert primär in neue Wohnüberbauungen, begrenzt auch in neue Einkaufs-, Gewerbe- und Büroliegenschaften. Sie konzentriert sich auf die Achsen der Autobahnen A1 und A2 sowie die Städte und Agglomerationen Aarau, Bern, Biel, Luzern, Olten, Schaffhausen und Solothurn. Punktuell sind Investitionen auch ausserhalb dieses Raumes möglich. Espace ist Eigentümerin von Immobilien im Wert von CHF 608 Mio. Hauptaktionärinnen sind die Artemis Real Estate AG mit einer Beteiligung von 28.8 Prozent und die Familie des Präsidenten des Verwaltungsrates Dr. Christoph M. Müller mit 19.4 Prozent. Die Espace-Aktie wird auf der OTC-X Plattform und der Handelsplattform der Zürcher Kantonalbank gehandelt.