London – Der Misstrauensantrag gegen die britische Regierung ist gescheitert. Eine Mehrheit von 325 zu 306 der Abgeordneten sprach Premierministerin Theresa May und ihrem Kabinett am Mittwochabend im Parlament in London das Vertrauen aus.
Der britische Oppositionschef Jeremy Corbyn hatte zuvor eine Neuwahl gefordert. Die heftige Niederlage bei der Abstimmung über den Brexit-Deal am Dienstagabend habe gezeigt, dass die Regierung nicht in der Lage sei, weiterzumachen. Die «Zombie-Regierung», deren «Frankenstein-Deal» nun offiziell tot sei, solle den Weg frei machen, sagte der Labour-Politiker.
Plan B bis am Montag
May konterte, eine Neuwahl sei «das Schlechteste, was wir machen können». Sie würde die Spaltung im Land vertiefen, Chaos und Stillstand bringen. Die Premierministerin hat angekündigt, am kommenden Montag dem Parlament darzulegen, wie es weitergehen soll, um einen chaotischen EU-Austritt doch noch zu verhindern. Wenn ein Austritt ohne Abkommen vermieden werden soll, muss es innerhalb weniger Wochen eine Einigung geben. Am 29. März will Grossbritannien aus der EU austreten.
Pete Wishart von der Schottischen Nationalpartei rief May zu: «Um Gottes Willen, Premierministerin, würden Sie bitte einfach gehen?»
Druck auf Corbyn wächst
Zunächst dürfte nun aber Corbyn unter Druck geraten. Eine grosse Gruppe der Labour-Abgeordneten will, dass er sich hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum stellt. Corbyn hatte angekündigt, diese Option zu erwägen, sollte sich eine Neuwahl als unmöglich herausstellen. Ein erfolgreiches Misstrauensvotum ist für Corbyn der einzig gangbare Weg, um das zu erreichen, doch der scheint nun verstellt. Doch es ist nicht auszuschliessen, dass Corbyn einen zweiten Versuch plant. Die Briten hatten bei einer Volksabstimmung im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt.
May hatte am Dienstag mit 432 zu 202 Stimmen eine Abstimmung über ihr mit Brüssel ausgehandeltes Brexit-Abkommen verloren. Daraufhin hatte Corbyn einen Misstrauensantrag gestellt.
Brüssel will schnelle Ansagen aus London
Die EU fordert jetzt schnelle Ansagen aus London, wie es nun weitergehen soll. Nach der Niederlage für den Brexit-Vertrag ist keine Lösung für den EU-Austritt Grossbritanniens in Sicht. Wenn ein Austritt ohne Abkommen mit drastischen Folgen für die Wirtschaft und Chaos in vielen Lebensbereichen vermieden werden soll, muss es innerhalb weniger Wochen eine Einigung geben. Am 29. März will Grossbritannien aus der EU austreten.
EU-Spitzenpolitiker schlossen eine Neuverhandlung des Abkommens aus. Grossbritannien müsse nun alleine eine Lösungsmöglichkeit entwickeln, wurde Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch nach einer Sitzung im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages von Teilnehmern zitiert.
Merkel: Schaden so klein wie möglich halten
Merkel will ihre Bemühungen um einen geregelten Brexit fortsetzen. «Wir wollen den Schaden – es wird in jedem Fall einen Schaden geben durch den Austritt Grossbritanniens – so klein wie möglich halten. Deshalb werden wir natürlich versuchen, eine geordnete Lösung weiter zu finden», sagte sie. Die Bundesregierung sei aber auch vorbereitet, wenn es keine geordnete Lösung gebe.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe eine gemeinsame Linie mit den europäischen Hauptstädten abgesteckt, sagte sein Sprecher Margaritis Schinas in Brüssel. «Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es nichts, was die EU noch tun könnte», fügte er hinzu. «Ein geordneter Austritt bleibt in den nächsten Wochen unsere absolute Priorität», sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier im EU-Parlament. Allerdings sei die Gefahr eines «No Deal»-Brexits so gross wie nie. (awp/mc/ps)