Von Martin Rossner, Gründer und Geschäftsführer von ThirdYear Capital
Trotz höherer Inflation steigt die US-Arbeitslosigkeit nicht. Ein Hinweis, dass die Nachfrage vorerst stabil bleibt.
Aktieninvestoren haben dieses Jahr am US-Arbeitsmarkt von einem nahezu optimalen Szenario profitiert: Bei der Inflationsbekämpfung und einer gewünschten Abkühlung der Wirtschaft muss die Politik in den meisten Fällen einen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen. Anders in den USA: Die Beveridge-Kurve visualisiert, dass es in diesem Zyklus bisher möglich war, eine signifikante Abkühlung des Arbeitsmarktes – gemessen an den offenen Stellen – bei einer nahezu unverändert niedrigen Arbeitslosenquote zu erreichen. Selbst bei einer ex-ante Modellierung der Kurve hätte man von diesem Szenario, in dem die postpandemischen Datenpunkte (blau) exakt am linken Rand in die alte Welt (grau) nach unten driften, nicht zwingend ausgehen können. Selbst der marginale Anstieg der Arbeitslosenquote im jüngsten Arbeitsmarktbericht war kein Anzeichen zyklischen Risikos, sondern auf eine steigende Partizipation zurückzuführen. Das bedeutet, dass die realen Arbeitseinkommen und somit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage vorerst hoch bleiben.
Investoren müssen sich daher die Frage stellen, wie nachhaltig die Inflation bekämpft ist. Wenn es in den 1970er-Jahren trotz signifikantem Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht möglich war eine zweite Inflationswelle zu verhindern, muss man bei einem derzeit robusten Arbeitsmarkt das Risiko eines erneuten Inflationsanstiegs in jedem Falle einbeziehen. Insbesondere vor dem Hintergrund wieder ansteigender Energiepreise ist eine Rückkehr des Inflationsrisikos für den Aktienmarkt relevant. In der Anlageklasse der Anleihen sollten sich Investoren an kurzfristigen Laufzeiten orientieren, um die aktuell relativ hohen Realzinsen zu sichern. Langfristige Laufzeiten könnten Anlegern bei einer Rückkehr in ein stagflationäres Umfeld aufgrund des Durationsrisikos, möglicherweise wenig Schutz bieten. Inflationsschutzanlagen bleiben hier als Diversifikation, besser geeignet. Dazu gehören Aktiensektoren und Länder, die von steigenden Rohstoffpreisen profitieren, sowie inflations-indexierte Staatsanleihen, die sich nach wie vor in historischen Drawdowns befinden. Auch in Währungen lassen sich Rohstoffe und eine stabilisierende Politik in China approximieren. (ThirdYear Capital/mc/ps)