Tief entspannt und gleichzeitig fokussiert

Hypnose

(Unsplash)

Zürich – Unter Hypnose verändert sich die Aktivität der grossen funktionellen Netzwerke im Gehirn sowie das neurochemische Milieu in spezifischen Hirnarealen. Das zeigen drei Studien, die an der Universität Zürich durchgeführt wurden.

Wissenschaftlich gesehen, ist Hypnose bis heute weitgehend eine Black Box. Bisher liess sich nicht datenbasiert nachweisen, ob Hypnose wirklich ein aussergewöhnlicher Bewusstseinszustand des Menschen ist oder einfach Einbildung. Nichtsdestotrotz fasziniert Hypnose viele Menschen.

Auf den fMRI-Bildern sieht man farbig jene Areale des Gehirns, die bei den Versuchspersonen in Hypnosetiefe 2 in ihrer funktionellen Konnektivität verändert waren – im Uhrzeigersinn: Gehirn von hinten, oben, links und rechts. (Bild: fMRI-Studie, Mike Brügger, UZH)

Ein bekanntes Frauenmagazin widmete der Hypnose kürzlich ein ganzes Dossier. Und gelegentlich poppt ein spektakulärer Hypnose-«Erfolg» auf: So wurde 2018 in der Hirslanden Klinik St. Anna in Luzern einem 45-jährigen Mann nur mittels Hypnose und ohne jegliche Narkose- oder Schmerzmittel eine Metallplatte aus dem Unterarm entfernt. Sehr zur Verblüffung des Operationsteam spürte der Mann keine nennenswerten Schmerzen, weder während noch nach der Operation, berichtete die SRF-Sendung «Puls» vom 17.9.2018.

Weg von Schmerz und Angst
Auch im klinischen Alltag scheint man recht gute Erfahrungen mit Hypnose zu machen. Die Genfer Universitätsspitäler (HUG) bieten Hypnose in der Klinik ergänzend zu den bewährten Behandlungsangeboten an und bilden ihr Personal entsprechend weiter, berichten sie auf ihrer Website. Aber auch Kinder, die sich vor einem Eingriff fürchten, werden an den HUG bisweilen erfolgreich kurz hypnotisiert, um ihnen die Angst vor einer Untersuchung zu nehmen.

Insbesondere bei Schmerzen und Angst scheint Hypnose lindernd zu wirken. So wird sie teils auch zur Geburtsvorbereitung eingesetzt, bei Verbrennungen oder beim Zahnarzt.

Verändertes Bewusstsein
Doch was genau Hypnose im neurobiologischen System des Menschen bewirkt, ist bis heute unklar. Lassen sich unter Hypnose Veränderungen im Gehirn beobachten, und wenn ja, welche – zu diesen Fragen haben die Neurowissenschaftler Philipp Stämpfli, Nuno Prates de Matos und Mike Brügger zusammen mit anderen Forschenden drei Studien durchgeführt. Zwei dieser Studien wurden am Magnetresonanz-Zentrum der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK), das Stämpfli leitet, durchgeführt, eine Studie am Psychologischen Institut der UZH.

Die Erforschung und Beschreibung verschiedener menschlicher Bewusstseinszustände ist noch immer eine der grössten Herausforderungen in der Neurobiologie. Es ist davon auszugehen, dass sich ein veränderter Bewusstseinszustand auch als Veränderungen in den funktionellen Netzwerken im Gehirn zeigt. Für die Forschenden lag deshalb die Vermutung nahe, dass sich in diesen Netzwerken eine allfällige Wirkung von Hypnose zeigen und dass man sie mithilfe bildgebender Verfahren abbilden und messen können müsste.

Drei standardisierte Studien
Die Neurowissenschaftler führten drei Studien mit jeweils unterschiedlichen bildgebenden Verfahren durch, die alle das gleiche Studiendesign aufwiesen. So sollte der Effekt der Hypnose auf das menschliche Gehirn in einem multimodalen Ansatz analysiert werden. Gemäss den Forschern ist es weltweit das erste wissenschaftliche Projekt, das so standardisiert und multimodal zu Hypnose durchgeführt wurde. Auch wurden zum ersten Mal zwei unterschiedliche Hypnosetiefen untersucht.

Als Proband:innen wählten sie jedes Mal gut fünfzig gesunde hypnoseerfahrene Personen aus, die mit beiden Hypnosezuständen vertraut waren. Sie wurden im MR-Scanner durch den gleichen, standardisierten gesprochenen Text zuerst in einen leichten Hypnosezustand (Somnambulismus) und dann in einen sehr tiefen Hypnosezustand (Esdaile) versetzt. Da die Proband:innen alle erfahren in Hypnose waren, konnten sie den Studienleitern ein verabredetes Zeichen aus dem Scanner heraus geben, wann sie die entsprechende Tiefe erreicht hatten. Sie blieben anschliessend rund zwanzig Minuten in diesem Zustand – so lange dauerte die Untersuchung ihres Gehirns mit einem der drei unterschiedlichen bildgebenden Verfahren.

Den Forschenden ist bewusst, dass sie für die drei Studien eine sehr selektive Versuchspersonen-Gruppe gewählt haben. Deshalb lassen sich die Resultate auch nicht verallgemeinern, betonen sie. «Wir wollten die Grundlagen herausfinden: ob sich Unterschiede im Gehirn finden lassen, wenn die Personen in zwei unterschiedlichen Hypnosetiefen waren», so Brügger. Den Forschenden ging es bei den drei Hypnose-Studien also um ein grundlegendes Verständnis dafür, was bei Hypnose passiert, und nicht um Hypnose als eine mögliche Therapieform.

Veränderte Netzwerk-Verbindungen
Die drei Studien zeigten nun aus unterschiedlicher methodischer Perspektive und anhand überprüfbarer Daten, dass sich zwei Hypnosetiefen unterscheiden lassen.

In der fMRI-Studie veränderte sich die Aktivität zwischen jenen Regionen der Hirnrinde (Cortex), die an Aufmerksamkeits- und an Körperwahrnehmungsprozessen beteiligt sind. Die Personen rapportierten alle auch einen sehr tief wahrgenommenen Entspannungszustand, welcher teilweise auch mit einem Verlust des Raum- und Zeitgefühls einherging.

In beiden Hypnosetiefen waren die sogenannten Theta-Wellen im Gehirn gesteigert. Theta-Wellen sind ein Zeichen für Schläfrigkeit und tiefe Entspannung. Sie treten auch bei anderen tiefen Entspannungsprozessen wie Meditation oder psychedelischen Zuständen auf. Sie kommen teilweise auch in den unterschiedlichen Schlafphasen vor, sind aber nicht dominant für Schlaf. Die Versuchspersonen berichteten denn auch, zwar sehr entspannt, aber trotzdem weit weg vom Einschlafen gewesen zu sein – sie seien eher hoch fokussiert gewesen, schilderten sie den Forschenden.

Auch die Atmung und der Herzschlag waren bei den Proband:innen unter Hypnose verlangsamt, was ebenfalls auf einen tiefen Entspannungszustand hindeutet.

Entspannung, aber kein Schlaf
Die EEG-Studie zeigte vor allem Veränderungen in bestimmten Hirnbereichen, die für Aufmerksamkeit und Körperwahrnehmung wichtig sind. Die entsprechenden Bereiche waren weniger aktiv oder ihre Verbindungsfähigkeit (Konnektivität) war vermindert. Das könnte bedeuten, dass die Hypnose das Bewusstsein der Proband:innen für den Körper reduzierte.

Auch signifikante neurochemische Veränderungen liessen sich in einem der beiden untersuchten Hirnareale der Studienteilnehmer:innen messen: Ein neurochemischer Modulator (Myo-Inositol) wurde in tiefer Hypnose signifikant stärker ausgeschüttet. Das könnte als reduzierte neuronale Aktivität interpretiert werden – allerdings gemäss den Forschenden nur mit Vorbehalt. Denn es liegen keine Vergleichswerte vor, da solche neurochemischen Veränderungen im Zusammenhang mit Hypnose noch nie untersucht worden sind.

Einsichten und Ausblick
Dank den drei Studien sind viele wissenschaftliche Daten zusammengekommen – deren Interpretation jedoch ist schwierig, geben die Forscher unumwunden zu. Doch zwei Fragen hätten die Studien geklärt, sagen Stämpfli und Brügger: Unter Hypnose verändert sich wirklich etwas im Gehirn, die hypnotische Wirkung ist nicht «erfunden» oder gespielt. Und zweitens: Es gibt mehr als eine Hypnosetiefe. «Das wurde bisher in Fachkreisen sehr kontrovers diskutiert, und es gab wenig wissenschaftliche Evidenz dafür», so Stämpfli.

Für ein allgemeines Verständnis dessen, wie Hypnose funktioniere, bräuchte es allerdings weitere Studien, sagen die Forscher. Ebenso zur Frage, weshalb Hypnose bei verschiedenen Beschwerdebildern wie zum Beispiel Schmerz oder Angst therapeutisch wirken kann. (Universität Zürich/mc/pg)

Universität Zürich

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