Zürich – Forschende der Universität Zürich und der ETH Zürich zeigen erstmals den kausalen Zusammenhang, weshalb der Tiefschlaf wichtig ist für die Lernfähigkeit des Gehirns. Sie haben eine neue, nicht-invasive Methode entwickelt, um den Tiefschlaf des Menschen gezielt zu beeinflussen.
Die meisten Menschen wissen aus eigener Erfahrung, dass schon eine einzelne schlaflose Nacht dazu führen kann, dass mentale Aufgaben tags darauf nur mit Mühe bewältigt werden können. Forschende gehen davon aus, dass der Tiefschlaf essenziell ist um die Lernfähigkeit des Gehirns langfristig zu erhalten. Während wir wach sind, erhalten wir ständig Eindrücke aus unserer Umwelt, wodurch zahlreiche Verbindungen zwischen den Nervenzellen – sogenannte Synapsen – erregt und zeitweise verstärkt werden. Erst im Schlaf wird die Erregbarkeit von Synapsen wieder normalisiert. Ohne Erholungsphase bleiben viele Synapsen maximal erregt, so dass keine Veränderung im System mehr möglich ist: Die Lernfähigkeit ist blockiert.
Kausaler Zusammenhang zwischen Tiefschlafen und Lernfähigkeit
Der Zusammenhang zwischen Tiefschlaf und Lernfähigkeit ist zwar schon lange bekannt und belegt. Nun konnten Forschende der Universität Zürich und der ETH Zürich erstmals eine kausale Verbindung im menschlichen Gehirn zeigen. Reto Huber, UZH-Professor am Kinderspital und der Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich und Nicole Wenderoth, ETH-Professorin am Department für Gesundheitswissenschaften und Technologie ist es gelungen, den Tiefschlaf von Versuchspersonen gezielt zu manipulieren. «Wir haben eine Methode entwickelt, die es uns erlaubt, die Schlaftiefe einer bestimmten Hirnregion zu reduzieren und damit den Kausalzusammenhang zwischen Tiefschlaf und Lernfähigkeit nachzuweisen», sagt Reto Huber.
Subjektive Schlafqualität wurde nicht beeinträchtigt
In dem zweiteiligen Experiment mit sechs Frauen und sieben Männern mussten die Probanden drei unterschiedliche motorische Aufgaben bewältigen. Konkret ging es darum, tagsüber verschiedene Abfolgen von Fingerbewegungen zu erlernen. In der Nacht wurden die Hirnaktivitäten der Versuchsteilnehmer während des Schlafs mittels EEG überwacht. Während die Probanden am ersten Tag nach der Lernphase ungestört schlafen konnten, wurde ihr Schlaf am zweiten Versuchstag gezielt beeinflusst – mittels akustischer Stimulation während der Tiefschlafphase. Die Forschenden lokalisierten hierzu genau jene Hirnregion, die für das Erlernen der erwähnten Fingerbewegungen, also die Steuerung der motorischen Fähigkeiten, zuständig ist (Motorcortex). Die Probanden waren sich indes der Manipulation nicht bewusst, für sie war die Schlafqualität beider Experimentalphasen am Folgetag vergleichbar.
Gestörter Tiefschlaf beeinträchtigt Leistungsfähigkeit
In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher, wie sich die Beeinflussung des Tiefschlafs auf die motorischen Lernaufgaben am Folgetag auswirkt. Dazu beobachteten sie, wie sich die Lern- und Leistungskurven der Versuchsteilnehmer im Verlauf des Experiments veränderten. Erwartungsgemäss konnten die Teilnehmer die motorische Aufgabe vor allem am Morgen gut erlernen. Je später die Stunde, desto höher war die Fehlerquote.
Nach dem Schlaf verbesserte sich die Lernfähigkeit wieder deutlich. Nicht so aber nach der Nacht mit der manipulierten Schlafphase. Hier zeigten sich deutliche Leistungseinbussen und deutliche Schwierigkeiten beim Erlernen der Fingerbewegungen. Die Lernfähigkeit war ähnlich schwach wie am Abend des ersten Versuchstags. Durch die Manipulation des Motorcortex wurde die Erregbarkeit der entsprechenden Synapsen im Schlaf nicht herabgesetzt. «In der noch immer stark erregten Hirnregion war die Lernfähigkeit gesättigt und liess keine Veränderungen mehr zu, so dass das Erlernen motorischer Fähigkeiten gehemmt war», erläutert Nicole Wenderoth.
In einem Kontrollexperiment manipulierten die Forschenden bei gleicher Aufgabenstellung eine andere Hirnregion während des Tiefschlafs. Hier zeigten sich jedoch keinerlei Effekte auf die Leistungsfähigkeit der Versuchsteilnehmenden.
Anwendung in klinischen Studien geplant
Die neuen Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt in der Erforschung des menschlichen Schlafs. Ziel der Wissenschaftler ist es, dass ihre Erkenntnisse auch in klinische Studien einfliessen. «Es gibt viele Krankheiten, die sich auch im Schlaf manifestieren, zum Beispiel Epilepsie. Wir erhoffen uns dank der neuen Methode gezielt jene Hirnregionen beeinflussen zu können, die direkt mit der Krankheit in Verbindung stehen», erklärt Reto Huber. Dies könnte helfen, den Zustand von betroffenen Patienten zu verbessern. (UZH/mc/ps)
Literatur:
Sara Fattinger, Toon T. de Beukelaar, Kathy L. Ruddy, Carina Volk, Natalie C. Heyse, Joshua A. Herbst, Richard H.R. Hahnloser, Nicole Wenderoth, Reto Huber. Deep sleep maintains learning efficiency of the human brain. Nature Communications. xx May 2017. doi:10.1038/ncomms15405