Washington – Der US-Senat kommt am Donnerstag zur ersten Sitzung im historischen Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump zusammen. Die Senatoren stimmten am Mittwoch dem Vorschlag des republikanischen Mehrheitsführers Mitch McConnell zu, die Anklagevertreter des Repräsentantenhauses am Donnerstagmittag um 12.00 Uhr (Ortszeit/18.00 Uhr MEZ) im Senat zu empfangen. Dort werden sie die beiden Anklagepunkte gegen Trump vorstellen: Ihm werden Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen des Repräsentantenhauses vorgeworfen.
Weiter beschloss der Senat, dass um 14.00 Uhr (Ortszeit/20.00 MEZ) der Oberste Richter der USA, John Roberts, in der Kammer empfangen wird. Er wird dann vereidigt werden, bevor er seinerseits den 100 Senatoren einen Eid abnimmt. McConnell sagte, inhaltlich werde das Amtsenthebungsverfahren am kommenden Dienstag beginnen – am Montag ist in den USA ein Feiertag. Das Weisse Haus sei über das bevorstehende Verfahren benachrichtigt worden.
Dritter US-Präsident in Amtsenthebungsverfahren
Trump muss sich als dritter Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten einem Amtsenthebungsverfahren im Senat stellen. Dort haben seine Republikaner die Mehrheit. Für eine Amtsenthebung müssten zwei Drittel der 100 Senatoren für mindestens einen der beiden Anklagepunkt stimmen. Das gilt als extrem unwahrscheinlich.
Hintergrund ist die Ukraine-Affäre. Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weissen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Als das herausgekommen sei, habe Trump alles daran gesetzt, die Ermittlungen des Repräsentantenhauses zu blockieren.
Demonstrativ leichte Schulter
Aus dem Weissen Haus hiess es am Mittwoch: «Das sind die schwächsten Anklagepunkte, die je in einem Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten verabschiedet wurden.» Man rechne daher nicht damit, dass das Verfahren im Senat länger als zwei Wochen dauern werde. Das Weisse Haus wolle «bald» mitteilen, wer Teil des Verteidigerteams des Präsidenten sein werde, hiess es.
Die Anklagevertreter hatten die beiden Anklagepunkte gegen Trump am Mittwochabend in einer Art Prozession vom Repräsentantenhaus in den Senat gebracht. Beide Parlamentskammern haben ihren Sitz im Kapitol in Washington. Zuvor hatte das Repräsentantenhaus am Mittwoch mit der Mehrheit der Demokraten die Übermittlung der Anklagepunkte beschlossen und die Anklagevertreter bestätigt. Damit wurde der Weg für das Amtsenthebungsverfahren im Senat endgültig freigemacht.
Ernannt wurden die Anklagevertreter von der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, der Demokraten Nancy Pelosi. Geführt wird das Team der sogenannten Impeachment-Manager vom Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff.
Pelosi: «So traurig, so tragisch»
Pelosi sagte vor Übermittlung der Anklagepunkte, es sei «so traurig, so tragisch», dass die Taten des Präsidenten das Land an diesen Punkt gebracht hätten. Die Demokraten erneuerten am Mittwoch ihre Vorwürfe gegen Trump. Der Vorsitzende des Justizausschusses, Jerry Nadler, sprach von «überwältigenden Beweise» dafür, «dass der Präsident das Land betrogen hat».
Pelosi hatte die Impeachment-Ermittlungen gegen Trump, die im Repräsentantenhaus geführt wurden, im vergangenen September in die Wege geleitet. Vor vier Wochen beschloss das Repräsentantenhaus dann mit der Mehrheit der Demokraten die beiden Anklagepunkte – ohne eine einzige Stimme der Republikaner.
Pelosi hatte die Anklagepunkte wegen Unstimmigkeiten mit den Republikanern über den Verlauf des Verfahrens im Senat aber seitdem zurückgehalten. Streit gibt es darüber, ob im Senat weitere Zeugen gehört werden sollen, was die Demokraten fordern. Während im Repräsentantenhaus die Demokraten die Mehrheit haben, verfügen Trumps Republikaner im Senat über 53 der 100 Sitze.
Trump erwartet vollständigen Freispruch
Trump rechnet nach Angaben des Weissen Hauses mit einer vollständigen Entlastung von allen Vorwürfen. Seine Sprecherin Stephanie Grisham teilte am Mittwoch mit, Trump freue sich darauf, im Senat das Recht auf ein ordnungsgemässes Verfahren zu haben, was ihm von den Demokraten im Repräsentantenhaus verwehrt worden sei. Grisham sprach von einem «illegitimen Amtsenthebungsverfahren» und betonte: «Präsident Trump hat nichts falsch gemacht.» (awp/mc/ps)