Washington / Berlin – Merkel im Bierzelt, Trump auf Twitter: Der Ton zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump verschärft sich zunehmend. Trump übte am Dienstag nach der Rückkehr von seinem Europa-Besuch massive Kritik an Deutschland auf Twitter. Die USA hätten ein massives Handelsdefizit mit Deutschland, die Bundesrepublik zahle viel zu wenig für die Nato und das Militär. «Sehr schlecht für die USA. Das wird sich ändern.»
Bei den Gipfeltreffen von G7 und Nato waren massive Differenzen zwischen Trump und seinen Verbündeten bei Militärausgaben, Klimaschutz oder auch in der Flüchtlingspolitik deutlich geworden. Das Handelsdefizit ist der US-Regierung seit längerem ein Dorn im Auge. Bei den Verteidigungsausgaben pocht Washington in der Nato auf eine massive Erhöhung auch seitens der Bundesregierung.
Trump hatte sich auf seiner ersten Auslandsreise mit dem Twittern noch sehr zurückgehalten. Zurück in Washington, kehrte er rasch in das alte Muster zurück und nutzte den Kurznachrichtendienst wieder, um in alle Richtungen auszuteilen. Vor allem der frühe Morgen (Ortszeit) ist eine Tageszeit, an der Trump Berichten zufolge oft alleine im Weissen Haus vor den Fernsehnachrichten sitzt und das Gesehene dann live auf Twitter kommentiert.
Am Dienstagmorgen setzte Trump in kurzer Folge zwei Tweets ab. Neben den Vorwürfen an die Adresse Deutschlands, die er inhaltlich so bereits mehrfach los wurde, äusserte er sich auch zur Russland-Affäre. Auch hier benutzte der Präsident ein inhaltlich bekanntes Argument: Die Demokraten nutzten die Anschuldigungen einer Wahlbeeinflussung Moskaus nur, um von Hillary Clintons Niederlage abzulenken. Trumps Tweets bleiben oft folgenlos stehen. Nur in seltenen Fällen folgt konkretes Regierungshandeln.
Merkel geht auf Distanz zu Trump
Nach den weitgehend gescheiterten Gipfeln von G7 und Nato war Merkel in den vergangenen Tagen erstmals auf Distanz zu den USA gegangen, sie hatte Trump indirekt vor einem Weg in die Isolation gewarnt. In einer weltweit beachteten Bierzelt-Rede am Sonntag in München hatte Merkel gesagt: «Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.» Die Europäer müssten ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen.
Merkel pochte angesichts der US-Abschottungspolitik am Dienstag erneut auf eine Emanzipation Europas. «Europa muss ein Akteur sein, der sich auch einmischt international», sagte sie nach deutsch-indischen Regierungskonsultationen in Berlin. Merkel mahnte eine bessere gemeinsame Aussenpolitik der europäischen Staaten an. Die Gemeinschaft müsse etwa in der Migrationspolitik besser werden.
«Die Bundeskanzlerin hat im Bierzelt zwar das Unübersehbare festgestellt – eine neue selbstbewusste und eigenständige europäische Politik ist aber weit und breit nicht erkennbar», kritisierte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Deutschland habe ökonomisch eine Vorreiterrolle in der EU, nutze sie aber politisch nicht. «USA-Bashing ist einfach, eine neue europäische Politik zu gestalten ist schwerer.»
Indien und China rücken in den Fokus
Zuletzt waren Stimmen laut geworden, angesichts der neuen US-Aussenpolitik könnten die Beziehungen mit den aufstrebenden Wirtschaftsmächten Indien und China stärker in den Fokus rücken. Am Dienstag traf Merkel den indischen Premierminister Narendra Modi zu Regierungskonsultationen. An diesem Mittwoch empfängt Merkel den chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang.
Deutschland und Indien unterzeichneten mehrere Abkommen zur Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie, Klimapolitik und Entwicklungszusammenarbeit unterzeichnet. Die Zusammenarbeit mit Indien sei von überragender Bedeutung, sagte Merkel. Sie stellte aber klar, das Treffen sei «in keiner Weise gegen irgendwelche anderen Beziehungen gerichtet, und schon gar nicht gegen die transatlantischen Beziehungen, die historisch für uns von grosser Wichtigkeit sind und auch in Zukunft bleiben werden».
Merkel betonte, dass Deutschland Indien bei der Verwirklichung des Pariser Klimaschutzabkommens unterstützen wolle. «Indien setzt das Abkommen intensiv um», sagte die Kanzlerin. Das Land mit mehr als einer Milliarde Einwohner befinde sich aber in einer anderen Entwicklungsphase als Deutschland.
Beim Thema Klimaschutz knirscht es mit Trump. Der US-Präsident hatte für diese Woche eine Entscheidung zum Verbleib der USA im Klimaschutzabkommen angekündigt.
Modi rief die Welt zum gemeinsamen Handeln auf. «Wir sind alle miteinander verbunden. Es ist wichtig, dass wir diese Regeln auch wirklich einhalten. Nur dann kann die Welt wirklich in die Zukunft schreiten.» Modi betonte, Indien wolle sich «gemäss globaler Standards» weiter entwickeln. Indien glaube an die Einheit Europas und wolle ein starkes Europa. (awp/mc/upd/ps)