Washington / Teheran – US-Präsident Donald Trump will einen härteren Kurs gegenüber dem Iran verfolgen, sieht dabei aber vorerst von einem Rückzug seines Landes aus dem Atomabkommen ab. Bei der neuen Strategie solle es darum gehen, die «Aggressionen» des Irans zurückzudrängen – vor allem, was die Unterstützung für Terrorismus angehe, hiess es in einem Strategiepapier, das das Weisse Haus am Freitag vor einer Rede Trumps veröffentlichte.
Anders als zunächst befürchtet, rücken die USA aber vorerst nicht vom Atomabkommen ab. An diesem ist neben den fünf UN-Vetomächten auch Deutschland beteiligt. Die Bundesregierung und die anderen Unterzeichner hatten an Trump appelliert, sich zu der Vereinbarung zu bekennen.
Der Republikaner muss dem Kongress bis zum Sonntag sagen, ob der Iran die Auflagen des Deals erfüllt. Es wurde damit gerechnet, dass der Präsident diese Bestätigung verweigern könnte. Dann muss das Parlament innerhalb von 60 Tagen entscheiden, ob die ausgesetzten Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft gesetzt werden sollen. Erst dieser Schritt käme einer Aufkündigung des Abkommens gleich. Eine Mehrheit für Sanktionen ist im Senat aber fraglich.
In dem Papier des Weissen Hauses hiess es, die Vereinbarung müsse strikt durchgesetzt werden. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien müsse ihr Recht zur Inspektion der iranischen Atomanlagen «vollständig ausnutzen». Die Prüfer überwachen allerdings schon jetzt mit beispielloser Strenge, ob Teheran alle Vorgaben einhält.
«Bedrohungen Irans nicht länger hinnehmen»
Trumps Regierung erklärte am Freitag, man werde Bedrohungen des Irans nicht länger hinnehmen. Das Weisse Haus verwies dabei auf Teherans Raketenprogramm. Der Iran hatte zuletzt im September eine Mittelstreckenrakete getestet. Möglich wäre nun etwa, dass der Kongress in einem Gesetz weitere Sanktionsmöglichkeiten gegen den Iran festhält. Diese könnten dann etwa im Fall neuer Raketentests erlassen werden.
Trump sucht mit der Strategie einmal mehr den öffentlichen Bruch mit der Politik seines Vorgängers Barack Obama. Das Atomabkommen gilt neben der Annäherung an Kuba als eine der grossen aussenpolitischen Errungenschaften des Demokraten. Befürchtet wird auch, dass eine diplomatische Lösung im Konflikt um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm erheblich schwieriger würde, wenn sich die USA aus dem Abkommen mit dem Iran zurückzögen.
Die Vereinbarung wurde im Juli 2015 vom Iran, den UN-Vetomächten USA, Russland, China, Frankreich und England sowie Deutschland geschlossen. Als Folge verzichtet der Iran auf die Entwicklung von Nuklearwaffen. Im Gegenzug hoben die anderen Länder Sanktionen auf. Alle Beteiligten – bislang auch die USA – haben Teheran bisher bescheinigt, den Vertrag einzuhalten.
Trumps Regierung verweist seit längerem darauf, dass es ihr beim Iran nicht nur um das Thema Atom gehe, sondern um die strategische und politische Rolle des Landes im konfliktreichen Nahen Osten. Der Iran ist eine der grössten Regionalmächte und ein Erzfeind der amerikanischen Verbündeten Israel zum einen und Saudi-Arabien zum anderen.
Washington nimmt mit dem Kurswechsel auch die Iranischen Revolutionsgarden (IRGC) stärker in den Fokus. Diese paramilitärische Elitetruppe untersteht direkt dem obersten Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat. «Die Garde der Wächter der islamischen Revolution» bewacht und schützt unter anderem die Atomanlagen. Sie ist ein wichtiges Machtzentrum im Iran und gegen sie ist eine Umsetzung des Atomabkommens nicht denkbar. Die Revolutionsgarden hatten Trump in den vergangenen Tagen vor einer härteren Politik gewarnt.
Teheran setzt auf Brüssel
Die iranische Regierung setzte mit Blick auf die Zukunft des Abkommens insbesondere auf die Unterstützung der Europäischen Union. Wichtig sei, dass die Europäer sich im Ernstfall gegen die USA und auf die Seite des Irans stellten, sagte Vizepräsident und Atomchef Ali Akbar Salehi.
Deutschland appellierte an Trump, an der Vereinbarung festzuhalten. Aussenminister Sigmar Gabriel warnte vor einer unmittelbaren Kriegsgefahr im Nahen Osten, sollten die USA ausscheren. Der Iran könnte wieder anfangen an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Israel habe das als direkte Bedrohung seiner Sicherheit wahrgenommen und mit militärischen Schlägen gedroht. «Auch diese unmittelbare Gefahr eines neuen Krieges wäre zurück», sagte der frühere SPD-Chef.
Auch China wandte sich an den US-Präsidenten. Das Abkommen habe eine wichtige Rolle gespielt, den Frieden und die Stabilität im Nahen Osten zu wahren und das internationale System aufrechtzuerhalten, eine weitere Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern, sagte die Sprecherin des Aussenministeriums, Hua Chunying, am Freitag vor der Presse in Peking. «Wir hoffen, dass alle Parteien das Atomabkommen mit dem Iran weiter unterstützen und umsetzen.» (awp/mc/ps)