Washington – Donald Trump befindet sich in einer Abwehrschlacht. Die Aussage des ehemaligen FBI-Chefs James Comey gegen ihn ist noch nicht verklungen. Justizminister Jeff Sessions ist im Geheimdienstausschuss des Senats als nächster dran. Zwischendrin, zeitlich geschickt platziert, tut sich plötzlicher ein neuer Gefechtsschauplatz für den US-Präsidenten auf: Der Bundesstaat Maryland und der District of Columbia haben ihn verklagt, weil sie eine Verquickung seiner Hotelgeschäfte mit dem Amt des Präsidenten sehen.
Trump verstosse gegen die Verfassung und habe sich bei weitem nicht ernsthaft genug von seinem Immobilien-Geflecht getrennt. Statt alle Geschäfte in einen sogenannten Blind-Trust zu legen, wählte der Präsident ein Konstrukt, bei dem zwar seine Söhne Eric und Donald Jr. federführend sind, er selbst im Hintergrund aber noch immer profitieren kann.
«Gewählte Führungspersönlichkeiten müssen dem Volk dienen und nicht ihren eigenen finanziellen Interessen», sagte der Generalstaatsanwalt von Maryland, Brian Frosh. «Dies ist ein unumstössliches Fundament der Demokratie», betonte er. «Präsident Trump hat wichtige Regeln der US-Verfassung verletzt», sagte sein Kollege Karl Racine aus dem District of Colombia. «Niemand kann über dem Gesetz stehen.»
Im Zentrum des Interesses der Juristen steht das Trump-Hotel im Herzen von Washington. Ziemlich genau auf der Mitte zwischen Kapitol und Weissem Haus gelegen, mit einem Uhrturm, der als einziges Gebäude der Stadt höher ist als das Kapitol – sieht man einmal vom Washington Monument ab, dem Obelisken in unmittelbarer Nähe.
Erst im Herbst, wenige Tage vor der Wahl seines Schöpfers zum US-Präsidenten eröffnet, hat es sich binnen Wochen zu einem Kumulationspunkt für Mächtige und Strippenzieher entwickelt. Dass ein Gin Tonic locker über 20 Dollar kostet, stört nicht wirklich. Die Hotel-Lobby, so heisst es, ist nicht nur Pflicht für Fotokameras schwingende Touristen, sondern auch für alle, die in der Politik-Szene der Hauptstadt bekannt werden wollen.
Genau das ist der Ansatzpunkt für die Juristen. Trump entziehe den anderen Hotels in der Stadt und im benachbarten Bundesstaat Maryland Kundschaft – weil diese nicht mit dem Namen des Präsidenten werben könnten. Ausländische Delegationen hätten für Feierlichkeiten bereits andere Hotels gekündigt und seien zu Trump gezogen. Im Dezember hatte die Botschaft Bahrains die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag in die heiligen Hallen der ehemaligen Post verlegt.
Wenig später folgte Kuwait. Bei einem Fest der Botschaft von Aserbaidschan wurde unter anderem Russlands Botschafter Sergej Kisljak gesehen, berichtet das «Time»-Magazine. Jener Kisljak, dessen Kontakte mit Trump-Leuten inzwischen einen Sonderermittler beim FBI und eine mittlere Staatskrise möglich machte.
Die Russland-Affäre mit all ihren Verstrickungen, prominenten Namen und geheimdienstlichen Schachzügen als Zutaten, ist auf den ersten Blick ein wesentlich interessanterer Cocktail. Mit seinen Hotel-Geschäften hat der mehrfache Milliardär Trump vielleicht ein paar Hunderttausend Dollar zusätzlich in seine Kassen gespült – bescheiden, im Vergleich.
Führt der Weg zu Amtsenthebung über unzulässige Verquickung von Geschäften und Amt?
In Jura-Blogs in den USA sind sich die Nerds aber sicher: Der Weg zu einer Amtsenthebung Trumps führt über die unzulässige Verquickung von Geschäften und Amt. Emolument Clause heisst die immer wieder zitierte Klausel aus der US-Verfassung, mit der Kritiker den Präsidenten zu fassen bekommen wollen. Das vielleicht wichtigste Mosaiksteinchen: Sollte ein Gericht die Klage der Bundesstaaten annehmen, dann könnte Trump in dem dann anhängigen Verfahren zur Herausgabe seiner Steuerunterlagen gezwungen werde. Ein Schritt, den er seit Monaten strikt verweigert.
Überall im Land sind inzwischen Juristen am Werk, die an Trumps Konstruktion Hand anlegen – mal sind es ausländische Gäste in einem seiner Hotels – neben dem Trump-Hotel in Washington steht etwa auch das «White House South», Trumps elitäre Anlage in Mar-a-Lago (Florida) im Fokus. Mal sind es aber auch Trumps Investitionen im Ausland, mal die Geschäfte von Tochter oder Ehefrau. Mehr als 1,1 Millionen Menschen haben die Online-Petition «Impeach Trump Now» unterzeichnet.
«Einen stetigen Strom monetärer und anderer Vorteile von ausländischen Kräften und ihren Beauftragten», sieht etwa der renommierte Jura-Professor Laurence Tribe (Harvard) in einer Studie auf Trump zufliessen, die er mit ehemaligen Beratern der Regierungen von George W. Bush und Barack Obama gemeinsam fertigte. Die Professorin Kathleen Clark von der Washington University in St. Louis sagt im «Time»-Magazine klar: «Er ist ein grossartiges Beispiel für jemanden, der das öffentliche Amt für private Zugewinne ausbeutet.»
Für viele ist nach knapp fünf Monaten Trump ein Korruptionslevel erreicht, der selbst dem einst zum Rücktritt gezwungenen «Watergate»-Präsidenten Richard Nixon fremd gewesen wäre. «Ich glaube nicht, dass Nixon auch nur in die Nähe des Korruptionsniveaus gekommen wäre, das wir bei Trump jetzt schon kennen», sagt der einstige Nixon-Berater John Dean.
Der Meinungsforscher Patrick Murray von der Monmouth University warnt allerdings vor allzu früher Freude des Anti-Trump-Lagers. Zwar seien einer Umfrage des Instituts Morning Consult im Auftrag des Magazins Politico zufolge inzwischen 43 Prozent der Amerikaner dafür, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einzuleiten. Dies ist aber noch keine Mehrheit. 45 Prozent sind dagegen. Und viel wichtiger: Das Einleiten eines Verfahrens ist längst keine Gewähr, dass das auch am Ende zum Kofferpacken im Weissen Haus führt. Keiner hat bisher besser bewiesen als Trump: Jeder abgewehrte Angriff ist ein Sieg für ihn. (awp/mc/upd/ps)