Übermässiges Trinken: Gewohnheit oder Hormonstörung?

Regelmässig deutlich mehr als die empfohlene Menge am Tag zu trinken kann auf eine Hormstörung hinweisen. (Foto: AdobeStock / Unibas)

Basel – Wer mehr als drei Liter Flüssigkeit am Tag trinkt, könnte an einem seltenen Mangel eines Hormons leiden. Bei vielen ist es aber auch harmlose Gewohnheit. Eine Verwechslung ist allerdings fatal, weshalb Forschende untersucht haben, welcher Test eine zuverlässige Diagnose liefert.

Literweises Trinken, auch «Polydipsie-Polyurie-Syndrom» genannt, ist meistens mit der Zeit durch Gewohnheit entstanden oder eine Begleiterscheinung einer psychischen Krankheit. In seltenen Fällen steckt aber ein Defizit an Vasopressin dahinter. Dieses Hormon der Hirnanhangdrüse steuert den Wasser- und Salzgehalt im Körper. Personen mit Vasopressin-Defizit können den Urin nicht konzentrieren, verlieren deshalb grosse Mengen an Flüssigkeit und verspüren ein starkes Durstgefühl.

Die Unterscheidung zwischen einer «harmlosen» Form des Vieltrinkens und einem Vasopressin-Defizit ist äusserst wichtig: In ersterem Fall werden Betroffene verhaltenstherapeutisch begleitet, um die Trinkmenge langsam zu reduzieren. Personen mit einem Vasopressin-Defizit erhalten hingegen das Hormon Vasopressin. Eine falsche Behandlung mit Vasopressin kann zu einer Wasservergiftung führen und daher lebensbedrohlich sein.

Test mit Salz oder Arginin?
In den letzten Jahren haben sich die beiden Forschungsgruppenleiterinnen Prof. Dr. Mirjam Christ-Crain und PD Dr. Julie Refardt zusammen mit mehreren nationalen und internationalen Zentren intensiv mit Testmethoden zur Unterscheidung dieser beiden Krankheitsbilder beschäftigt. So gilt etwa ein Test, bei dem die Vasopressin-Ausschüttung mittels einer Salzinfusion stimuliert wird, als sehr zuverlässig. «Allerdings sind wegen des starken Salzanstiegs eine ständige Überwachung und halbstündliche Salzmessungen im Blut der Patientinnen und Patienten notwendig», erklärt Prof. Christ-Crain.

Ein stark vereinfachter und verträglicherer Test mittels Arginin-Infusion liefert ebenfalls sehr zuverlässig eine Diagnose. Auch Arginin, eine bedingt essentielle Aminosäure, stimuliert die Ausschüttung von Vasopressin.

Klarheit in der Diagnosestellung
Mit einem internationalen Team haben Christ-Crain und Refardt die beiden Tests nun direkt miteinander verglichen und die Ergebnisse im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht. Die Studie mit 158 Teilnehmenden zeigt, dass mittels Salzinfusion über 95 Prozent der Patientinnen und Patienten richtig diagnostiziert werden konnten. Der Test mittels Arginin-Infusion führte hingegen nur in knapp 75 Prozent der Fälle zur richtigen Diagnose.

PD Dr. Refardt ordnet ein: «Angesichts dieser Ergebnisse empfehlen wir den Salzinfusions-Test als Goldstandard für eine zuverlässige Unterscheidung zwischen Polydipsie und Vasopressin-Defizit.» (Universität Basel/mc/ps)

Originalpublikation
Julie Refardt et al.
Arginine or Hypertonic Saline–Stimulated Copeptin to Diagnose AVP Deficiency
New England Journal of Medicine (2023), doi: 10.1056/NEJMoa2306263
Forschungsgruppe Prof. Dr. Mirjam Christ-Crain
Universität Basel

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