St. Gallen – Der Klimagipfel der Vereinten Nationen soll es den Regierungschefs dieser Erde erleichtern, sich in 2015 auf ein effektives Klimaabkommen zu einigen. In Anbetracht der stärker werdenden Warnungen vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels stellt sich die Frage, wie die Länder dieser Welt einen solchen Fortschritt in der internationalen Klimapolitik erreichen können, mit dem sich die besonders negative Folgen der globalen Erwärmung verhindern oder zumindest lindern lassen.
Die Regierungen demokratischer Staaten werden selbstverständlich kein Klimaabkommen unterzeichnen, das in ihrem Land von der Bevölkerung nicht unterstützt wird. Und selbst wenn dies geschähe, so hätte ein solches Abkommen kaum eine Chance, gegen den Willen der Bevölkerung wirksam umgesetzt zu werden. Diese zunächst triviale Erkenntnis ist vor allem für jene Länder wie die Vereinigten Staaten wichtig, die für einen grossen Teil des weltweiten Ausstosses an Treibhausgasen verantwortlich sind. Umso überraschender ist in diesem Zusammenhang die immer wieder aufkeimende Debatte, ob Klimaschutz bei der Bevölkerung populär ist oder eher nicht.
Wer mag Glühwein in der Vorweihnachtszeit?
Diese Frage verfehlt jedoch den Kern der Sache. Es geht nicht darum, ob Bürger Klimapolitik grundsätzlich befürworten, ebenso wenig wie es darum geht, ob sie in der Vorweihnachtszeit Glühwein im Allgemeinen mögen. Allgemein gefragt, findet fast jeder beides gut. Aber: Für Klimapolitik wie auch für Glühwein gilt, dass die Nachfrage nach diesen Gütern von deren Preis und ihren Qualitätseigenschaften abhängen. Dies belegen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage mit insgesamt 8.500 Personen in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten durchgeführt haben (veröffentlicht in Proceedings of the National Academy of Sciences).
Mit Hilfe eines Umfrageexperiments haben wir ermittelt, wie die Unterstützung für ein Klimaabkommen von dessen genauer Ausgestaltung abhängt. Spielt es zum Beispiel eine Rolle, wie hoch die Umsetzungskosten eines Klimavertrags ausfallen? Finden Abkommen mit mehr Teilnehmerländern bei der Bevölkerung mehr Unterstützung? Wie wichtig sind aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger Überwachungs- und Sanktionsinstrumente, mit denen die Wirksamkeit des Vertrags erhöht werden sollen?
Die Unterstützung für Klimapolitik hängt stark von deren Kosten ab
Erhöhen sich die Kosten des Klimaschutzes von 0,5 auf 1 Prozent der Wirtschaftsleistung, sinkt die Popularität eines Abkommens um 10 Prozentpunkte. Wie auch beim Glühwein hat der Preis einen wichtigen Einfluss auf die Nachfrage nach Klimapolitik. Aber der Preis ist nicht alles. Für ein gutes Glas Glühwein ist man vielleicht bereit, ein bisschen mehr zu zahlen. Und so verhält es sich auch mit der Unterstützung für Klimaverträge: Auf den Inhalt kommt es an. Regierungen können nämlich internationale Klimaverträge durch deren spezifische Ausgestaltung attraktiver machen. Zum Beispiel zeigen unsere Ergebnisse, dass die Bevölkerung jene Abkommen deutlich stärker unterstützt, bei denen sich mehr Länder beteiligen. Auch die Verteilung der Kosten spielt für die öffentliche Unterstützung eine Rolle. Selbst ein sehr teures Abkommen wird populärer, wenn die Kosten zwischen den Ländern nach Fairnessprinzipien wie dem Verursacherprinzip verteilt werden.
Überwachung und Strafzahlungen
Die Bevölkerung befürwortet auch jene Abkommen mehr, die unabhängige Überwachungselement beinhalten und geringe Strafzahlungen vorsehen, falls ein Land seine Klimaschutzziele nicht erreichen sollte. Warum finden Bürger diese Charakteristika attraktiv? Zu einem gewissen Teil ist dies wohl darauf zurückzuführen, dass solchen Abkommen eine höhere Wirksamkeit gegen den Klimawandel versprechen. Einige der populären Charakteristika tragen jedoch auch weit verbreiteten Reziprozitätsnormen (ich kooperiere, wenn auch Du kooperierst) Rechnung. Solche Normen sind in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens weit verbreitet. Klimaverträge, die sich an diesen sozialen Normen orientieren, werden von der Bevölkerung deshalb stärker befürwortet.
Allgemeine Unterstützung für Klimapolitik in den USA deutlich niedriger als in europäischen Ländern
Die allgemeine Unterstützung für Klimapolitik ist in den Vereinigten Staaten deutlich niedriger als in europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien. Erstaunlicherweise sind sich die Bürger dieser Länder aber weitgehend einig darüber, welche Klimaverträge mehr oder weniger erstrebenswert sind. Dies sollte Klimaverhandlungen deutlich erleichtern, da die Regierungen einer ähnlichen politischen Nachfrage gegenüberstehen. Ob die richtige Kombination der Ausgestaltung von Klimaabkommen tatsächlich mehrheitsentscheidend ist, hängt auch davon ab, wie hoch die Zustimmung zu Klimaverträgen in einem Land im Allgemeinen ist. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die richtige Ausgestaltung eines Klimavertrags in Deutschland, Frankreich und auch in Grossbritannien dazu führt, dass ein zuvor von der Mehrheit der Bürger abgelehnter Klimavertrag nun von mehr als die Hälfte aller Bürger befürwortet wird.
Nur in den Vereinigten Staaten ist dies nicht der Fall. Aber auch im Land der SUVs und Klimaanlagen treibt der populärste Klimavertrag die öffentliche Unterstützung von 29 auf beachtliche 47%. Dies zeigt, dass der Weg aus der Sklerosis internationaler Klimapolitik über die richtige Kombination der Eigenschaften von Klimaverträgen führt. Wie die Anbieter von Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt müssen Regierungen ein Abkommen so ausgestalten, dass es die Bevölkerung hinsichtlich Preis und Qualität überzeugt.
Über die Autoren
Michael M. Bechtel ist SNF-Förderprofessor und Assistenzprofessor für Politikwissenschaft an der Universität St.Gallen. Sein Forschungsgebiet liegt im Bereich der Internationalen und Vergleichenden Politischen Ökonomie. Aktuelle Forschungsprojekte beschäftigen sich mit den politischen Dimensionen von Naturkatastrophen, internationaler Klimapolitik und politischen Reaktionen auf Wirtschaftskrisen. Seine Forschungsergebnisse wurden in den international führenden Fachzeitschriften veröffentlicht und mit Wissenschaftspreisen ausgezeichnet. Forschungsaufenthalte führten ihn u.a. an die New York University, Stanford University, Yale University und die University of Oxford. http://www.mbechtel.com/
Kenneth F. Scheve ist Professor für Politikwissenschaft an der Stanford University und Mitglied des Freeman Spogli Institute. Er fungiert momentan als Direktor des Europe Center. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Internationalen und Vergleichenden Politischen Ökonomie mit besonderem Schwerpunkt im Bereich der behavioralen Grundlagen wirtschaftspolitischer Entscheidungen. Seine Forschungsergebnisse wurden in zahlreichen, führenden Fachzeitschriften veröffentlicht und erhielten zahlreiche Wissenschaftspreise, darunter der Michael Wallerstein Award, der Franklin L. Burdette/Pi Sigma Alpha Award und der Robert O. Keohane Award.
http://scheve-research.stanford.edu/
Universität St.Gallen (HSG)
Die Universität St.Gallen (HSG) ist die Universität des Kantons St.Gallen und die Wirtschaftsuniversität der Schweiz. Internationalität, Praxisnähe und eine integrative Sicht zeichnen die Ausbildung an der HSG seit ihrer Gründung im Jahr 1898 aus. Heute bildet die Universität rund 7600 Studierende aus 80 Nationen in Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie in Internationalen Beziehungen aus. Mit Erfolg: Die HSG gehört zu den führenden Wirtschaftsuniversitäten Europas. Im European Business School Ranking der «Financial Times» 2013 belegt die HSG den Platz 7. Die «Financial Times» hat den Master in «Strategy and International Management» (SIM-HSG) 2014 zum vierten Mal in Folge als weltweit besten bewertet. Dies im jährlichen Ranking von Master-Programmen in Management. Für ihre ganzheitliche Ausbildung auf höchstem akademischem Niveau erhielt sie mit der EQUIS- und AACSB-Akkreditierung internationale Gütesiegel. Studienabschlüsse sind auf Bachelor-, Master- und Doktorats- bzw. Ph.D.-Stufe möglich. Zudem bietet die HSG erstklassige und umfassende Angebote zur Weiterbildung für jährlich rund 5000 Teilnehmende. Kristallisationspunkte der Forschung an der HSG sind ihre 41 Institute, Forschungsstellen und Centers, welche einen integralen Teil der Universität bilden. Die weitgehend autonom organisierten Institute finanzieren sich zu einem grossen Teil selbst, sind aber dennoch eng mit dem Universitätsbetrieb verbunden.