Bruno Oberle, Direktor Bundesamt für Umwelt BAFU.
Bern – Zunehmende Belastung mit Schadstoffen, Übernutzung der natürlichen Ressourcen und Klimaerwärmung – von den globalen Umwelttrends ist auch die Schweiz betroffen. Dies geht aus dem neuesten Umweltbericht hervor. Eine Entkopplung von Umweltbelastung und Wirtschaftswachstum ist laut BAFU-Direktor Bruno Oberle die einzige Möglichkeit, den Druck auf die natürlichen Ressourcen zu verringern.
Seit den 1980er-Jahren hat die schweizerische Umweltpolitik zahlreiche Fortschritte erzielt: Die Luftqualität hat sich deutlich verbessert, die Qualität der Gewässer ist heute generell gut, die Belastung des Bodens mit Schwermetallen wie Blei nimmt tendenziell ab, und die Sanierung belasteter Standorte schreitet zügig voran. Der Bericht Umwelt Schweiz 2013 zeigt aber auch Negatives auf: Die Konzentrationen gewisser Schadstoffe in der Luft (Feinstaub, Ozon, Stickoxide, Ammoniak) sind regelmässig zu hoch, und aus Medikamenten, Körperpflegeprodukten und Pflanzenschutzmitteln stammende Mikroverunreinigungen werden von den Kläranlagen nicht zurückgehalten und beeinträchtigen die Ökosysteme. Nicht zuletzt ist die zunehmende weltweite Umweltbelastung auch in der Schweiz spürbar, namentlich bei der Luftqualität.
Jeder Schweizer verbraucht Ressourcen für zwei
Die natürlichen Ressourcen unseres Landes – Wasser, Boden, Biodiversität, Wald, Landschaft, Klimastabilität und Ruhe – werden stark beansprucht, sei es durch die Landwirtschaft, den hohen Energieverbrauch, die zunehmende Mobilität oder das laufende Wachstum der Siedlungsflächen. Aber auch im Ausland verursacht die Schweiz erhebliche Umweltbelastungen: Um seinen Bedarf für Produktion und Konsum zu decken, importiert die Schweiz immer mehr Rohstoffe wie Energieträger und Metalle, aber auch Futter und Nahrungsmittel. Mehr als die Hälfte der Umweltbelastungen, die durch den inländischen Konsum entstehen, fallen im Ausland an. Gesamthaft betrachtet verbraucht die Schweiz mehr als doppelt so viele Ressourcen, als ihr entsprechend ihrem Anteil an der Weltbevölkerung zustehen würde.
Vom Klimawandel ist die Schweiz möglicherweise besonders stark betroffen: Nehmen die weltweiten Treibhausgasemissionen weiter ungebremst zu, dürften sich die Temperaturen hierzulande bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um 6 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit erhöhen. Dies hätte weitreichende Folgen, namentlich für die Land- und Forstwirtschaft, den Wintertourismus und die Wasserkraftproduktion. Mit der immer intensiveren Nutzung des Siedlungsraums dürften auch die Schäden durch Naturgefahren weiter zunehmen.
Antworten der Schweiz auf neue Herausforderungen im Umweltbereich
Um die neuen umweltbezogenen Herausforderungen bewältigen zu können, haben Parlament und Bundesrat in jüngster Zeit verschiedene Strategien und Massnahmen beschlossen:
- Die 2010 vom Parlament beschlossenen neuen Bestimmungen über die Revitalisierung der Gewässer werden dafür sorgen, dass Flüsse und Seen ihre natürlichen Funktionen – namentlich im Hinblick auf die Biodiversität und den Hochwasserschutz – wieder wahrnehmen können.
- Ende Juni 2013 hat der Bundesrat eine Finanzierungslösung für die Aufrüstung von rund 100 Abwasserreinigungsanlagen mit einer zusätzlichen Klärstufe verabschiedet, welche die Elimination von Mikroverunreinigungen sicherstellt. Das Parlament könnte sich noch im laufenden Jahr mit dieser Vorlage befassen.
- 2012 hat der Bundesrat die Strategie Biodiversität Schweiz angenommen. Darin sind die Ziele definiert, die die Schweiz bei der Erhaltung der Biodiversität erreichen will. Bis Mitte 2014 muss ein Aktionsplan ausgearbeitet werden, der die Strategie konkretisiert.
- Die 2012 vom Parlament verabschiedete Revision des CO2-Gesetzes sieht vor, dass die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20 % im Vergleich zu 1990 reduziert.
- Die Strategie des Bundesrates zur Anpassung an den Klimawandel in der Schweiz nennt die Ziele, Herausforderungen und Handlungsfelder, die für die Milderung der Klimaveränderungen in der Schweiz massgebend sind. 2012 hat der Bundesrat den ersten Teil der Strategie verabschiedet. Der zweite Teil mit dem Aktionsplan sollte Ende 2013 vorliegen.
- Anfang 2013 hat der Bundesrat den Aktionsplan Grüne Wirtschaft angenommen. Dieser enthält verschiedene Massnahmen, die auf den Verbrauch und die Produktion sowie auf die Abfälle und Rohstoffe abzielen. Der Aktionsplan ist als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)» gedacht.
Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung
Der Druck auf die natürlichen Ressourcen kann nur verringert werden, wenn Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung entkoppelt werden. Dazu braucht es einen Übergang zu einer Grünen Wirtschaft, schreibt Bruno Oberle, Direktor des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) im Bericht Umwelt Schweiz 2013. Umweltpolitik umfasst heute nahezu alle Politikbereiche, so Oberle weiter. Die neue Agrarpolitik 2014–2017 des Bundesrates beispielsweise ist ein erfreulicher Schritt hin zu einer besseren Abgeltung von Leistungen der Landwirtschaft im Interesse der Biodiversität. Und der Ausbau der Wasserkraftnutzung, der mit dem geplanten Ausstieg der Schweiz aus der Atomenergie einhergeht, muss der Erhaltung und Renaturierung der Seen und Flüsse Rechnung tragen. (BAFU/mc/ps)