Genf – Die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre ist nach Messungen der Klimaforscher noch nie so schnell gestiegen wie im vergangenen Jahr. Das lag neben den Aktivitäten der Menschen auch am Wetterphänomen El Niño mit seinen erhöhten Ozeantemperaturen und Dürren in den Tropen, wie die Weltwetterorganisation (WMO) am Montag in Genf berichtete. Dadurch konnten Ozeane und zum Beispiel Wälder nicht so viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aufnehmen wie in anderen Jahren.
Das neue WMO-Treibhausgas-Bulletin dient zusammen mit dem für Dienstag geplanten Bericht des UN-Umweltprogramms (Unep) über Fortschritte bei der Reduzierung der Treibhausgase als Grundlage für die Klimakonferenz in Bonn ab 6. November. Aus dem «Emissions Gap Report» des Unep geht hervor, was die Weltbevölkerung noch tun muss, um die Erderwärmung wie im Weltklimavertrag von Paris festgelegt bis Ende des Jahrhunderts auf unter zwei Grad zu begrenzen.
WMO-Generalsekretär Petteri Taalas schlug Alarm: «Ohne rapide Einschnitte bei CO2- und anderen Treibhausgasemissionen steuern wir bis Ende des Jahrhunderts auf gefährliche Temperaturanstiege zu, die deutlich über den Zielen des Weltklimaabkommens von Paris liegen. Künftige Generationen erben einen deutlich unwirtlicheren Planeten.»
Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre betrug nach Angaben der WMO 403,3 Teilchen pro Million Teilchen (ppm), verglichen mit 400 ppm im Jahr davor. Der jüngste Zuwachsrekord mit deutlich unter 2 ppm stammte aus dem Jahr 2013. 1996 betrug die Konzentration erst 362 ppm. Die US-Klimabehörde NOAA hatte im August für das vergangene Jahr eine CO2-Konzentration von 402,9 ppm gemeldet. Die WMO nähme aber Messungen von doppelt so vielen Stationen wie die NOAA auf, sagte WMO-Klimaforscherin Oksana Tarasova.
CO2-Konzentration während mindestens 800’000 Jahren stabil geblieben
Bis zu Beginn der Industrialisierung etwa im Jahr 1750 sei die Konzentration mindestens 800’000 Jahre unter 280 ppm geblieben, heisst es in dem Bericht. Das belegen Eisbohrungen, bei denen entsprechend alte Luftblasen entdeckt wurden, die die Messung der damaligen Konzentration möglich machten. Nach Analysen von Fossilien schätzen Forscher, dass es eine so hohe CO2-Konzentration wie heute zuletzt vor drei bis fünf Millionen Jahren gab. Dabei sei es zwei bis drei Grad wärmer gewesen. Das Eis in Grönland und der West-Antarktis sei geschmolzen und der Meeresspiegel habe 10 bis 20 Meter höher gelegen.
Wenn der CO2-Gehalt weiter rapide steige, können das beispiellose Klimaveränderungen auslösen, mit «schweren ökologischen und wirtschaftlichen Störungen», warnt die WMO. Neben dem Bevölkerungswachstum, intensiverer Landwirtschaft und Abholzung tragen die Industrialisierung und der damit verbundene Einsatz fossiler Brennstoffe zur hohen Treibhausgaskonzentrationen bei.
CO2 ist das bedeutendste langlebige Treibhausgas: Die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, die Zementproduktion und andere Industrieprozesse verursachen etwa 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen. Die CO2-Konzentration lag nach dem Bericht verglichen mit dem vorindustriellen Niveau 2016 bei 145 Prozent, bei dem zweitwichtigsten Treibhausgas Methan war der Wert 257 Prozent und beim drittwichtigsten, dem Distickstoffoxid (Lachgas), 122 Prozent.
Der weltweite Ausstoss von CO2 ist zwar in den vergangenen drei Jahren praktisch auf gleichem Niveau geblieben. Aber die Konzentration in der Atmosphäre wächst auch bei einem gleichbleibend hohen Ausstoss. Vom ausgestossenen CO2 wird derzeit etwa ein Viertel von Ozeanen aufgenommen, die dabei saurer werden. Ein weiteres Viertel speichert die Biosphäre, zum Beispiel Bäume und Böden. Der Rest gelangt in die Atmosphäre. Der Strahlungsantrieb, der die klimarelevanten Wirkungen der Treibhausgase bemisst, sei seit 1990 um 40 Prozent gestiegen, davon allein 2016 um 2,5 Prozent, heisst es in dem Bericht. CO2 sei für 80 Prozent des Anstiegs seit 1990 verantwortlich. (awp/mc/ps)