Unternehmen mit empathischen CEOs haben höhere Aktienkurse
Zürich – Ein fürsorglicher Führungsstil zahlt sich aus: Eine Studie der Universität Zürich zeigt einen Zusammenhang zwischen mitfühlenden Aussagen von CEOs und dem Aktienkurs des jeweiligen Unternehmens. Die Forschenden analysierten Daten von Telefonkonferenzen zwischen CEOs und Finanzanalyst:innen während der COVID-19-Pandemie.
Die COVID-19-Pandemie löste eine beispiellose Finanzkrise aus. Zwischen dem 24. Februar 2020 und dem 20. März 2020 brach der Wert von US-Unternehmen an der Börse erheblich ein und übertraf damit den Rückgang während der Finanzkrise von 2008-2009.
Zu Beginn der Pandemie machten mehrere CEOs in Telefonkonferenzen mit Finanzanalyst:innen Aussagen, die sich nicht direkt auf die aktuelle Geschäftslage bezogen, sondern die Sorge um ihre Mitmenschen zum Ausdruck brachten. Diese Empathie-Bekundungen stehen im Zentrum einer neuen Studie von Forschenden der Universität Zürich, der London School of Economics and Political Science und der Cambridge Judge Business School.
Die Forschenden analysierten 510 CEO-Telefonkonferenzen von 448 grossen US-Unternehmen während der COVID-19-Pandemie. Trotz der menschlichen Herausforderung, die die Pandemie darstellte, bekundeten darin nur etwa die Hälfte (51,8 %) der CEOs ihre Sorge um das Wohl ihrer Mitmenschen. Darüber hinaus waren die meisten dieser Erklärungen oberflächlich und enthielten keine konkreten Schutz- oder sonstigen Massnahmen. Dennoch entwickelten sich die Aktienkurse dieser Unternehmen besser als diejenigen von Unternehmen, deren CEOs sich nicht zu den Auswirkungen der Pandemie äusserten.
«Ich meine, jedes Mal wenn Menschen krank sind oder auf tragische Weise ihr Leben verlieren, ist das ein viel wichtigeres Thema als alles, worüber wir heute berichten. Ich möchte das nur kurz anmerken.»
Strauss H. Zelnick, CEO von Take-Two Interactive Software, Inc. in einer Telefonkonferenz während der COVID-19-Pandemie
Überraschende Wirkung von Lippenbekenntnissen
Erstautorin Lauren Howe war zunächst erstaunt, dass einige CEOs ihre Sorge um die Gesundheit und Sicherheit von Mitarbeitenden, Kund:innen und anderen vom Virus Betroffenen in den Telefonkonferenzen zum Ausdruck brachten: «Auf den ersten Blick scheinen diese Aussagen für Finanzanalyst:innen wenig relevant zu sein und sollten sie daher nicht beeinflussen.»
Gleichzeitig sind Telefonkonferenzen eine der wichtigsten Möglichkeiten für Investor:innen, live mit CEOs in Kontakt zu treten. Was die Führungspersonen in diesen Gesprächen sagen und wie sie dies tun, kann die Märkte erheblich beeinflussen. Während einer Krise wie der COVID-19-Pandemie ist es daher plausibel, dass Investor:innen diesem direkten Austausch zusätzliche Aufmerksamkeit schenken.
In Zahlen ausgedrückt, war eine einzige Fürsorge-Bekundung mit einem Anstieg der kumulierten Renditen um 2,49 Prozentpunkte verbunden. In Anbetracht der Tatsache, dass der durchschnittliche Marktwert des Eigenkapitals der untersuchten Unternehmen bei etwa 3,17 Milliarden US-Dollar lag, führte dieser Effekt dazu, dass nach der Krise etwa 78,9 Millionen US-Dollar des Unternehmenswerts erhalten blieb.
«Offensichtlich macht das Coronavirus die Situation sehr unbeständig. […] Ich möchte zunächst betonen, dass die Sicherheit unserer Mitarbeitenden, Partner und Kunden unsere oberste Priorität ist.»
Anders Gustafsson, CEO von Zebra
Bei der Unternehmensführung geht es um Leistung und Menschen
In weiteren Analysen stellten die Forschenden fest, dass mitfühlende Aussagen während der Krise mit einer geringeren Volatilität der Aktien einhergingen, aber keinen Einfluss auf die Schätzungen der Analyst:innen für die zukünftigen Gewinne hatten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Marktteilnehmenden die zukünftigen Gewinne eines Unternehmens weniger stark diskontieren – und Aktien als weniger riskant einschätzen – wenn der CEO seine mitmenschliche Sorge zum Ausdruck bringt. Dies ist insofern bemerkenswert, als es sich wiederum um allgemeine Bekenntnisse ohne damit verbundene Pläne, Massnahmen oder direkte finanzielle Auswirkungen handelte.
Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, dass CEOs in ihrer Kommunikation Menschlichkeit zeigen, und welche Auswirkungen dies auf die Wahrnehmung der Anleger:innen und die Unternehmensleistung hat. CEOs, die nur die Leistung in den Vordergrund stellen, verpassen die Chance, die erwartete Fürsorge für die Menschen zu zeigen. «Bei der Unternehmensführung geht es sowohl um Leistung als auch um Menschen», fügt der Letztautor Jochen Menges hinzu. «Unsere Studie zeigt, dass es sich auszahlt, sich um seine Mitmenschen zu sorgen – auch in Telefonkonferenzen mit Analyst:innen und Investor:innen, von denen erwartet wird, dass sie sich nur für die Leistung interessieren.»
«Zunächst einmal ist die ganze Coronavirus-Situation eine menschliche Situation. Es ist eine Art menschliche Tragödie.»
Andrew Anagnost, CEO von Autodesk, Inc.
(Universität Zürich/mc/ps)
Literatur:
Lauren Howe* und Laura M Giurge*, Alexander Wagner, Jochen Menges: CEOs Showing Humanity: Seemingly Generic Human Care Statements in Conference Calls and Stock Market Performance during Crisis. Academy of Management Discoveries. DOI 10.5465/amd.2021.0225
*gemeinsame Erstautorenschaft