Luzern – Schweizer Unternehmen haben die Bedeutung der Digitalisierung und deren Chancen erkannt. Aber sie unterschätzen noch die Risiken digitaler Transformationsprojekte. Positiv ist die Erkenntnis, dass nicht nur Technologierisiken, sondern auch Risiken aus dem strategischen und kulturellen Umfeld gesehen werden.
Unternehmen haben erste Risiken der digitalen Transformation zwar identifiziert, deren umfassende Analyse und Beurteilung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern zusammen mit SwissERM verfasst hat. «Strategische Chancen beinhalten immer auch Risiken, dies trifft ebenso im Rahmen der digitalen Transformation zu», sagt Studienleiter Prof. Dr. Stefan Hunziker, «es besteht die Gefahr, dass Unternehmen die digitalen Transformationsrisiken unterschätzen.»
Im ERM Report 2018 haben die Autoren eine umfangreiche Praxiserhebung durchgeführt, um zu erfahren, wie Schweizer Unternehmen die Digitalisierungstreiber beurteilen, wie hoch sie digitale Transformationsrisiken bewerten und ob sie bereit sind, diese zu bewältigen. Die Ergebnisse stützen sich auf die Einschätzungen von 238 Führungskräften. Damit konnte die Wahrnehmung und Beurteilung digitaler Transformationsrisiken nach Unternehmensgrösse und Branchenzugehörigkeit vertieft analysiert werden.
Digital Risk Framework als Orientierungsrahmen
Das IFZ und sein Kooperationspartner haben zunächst das «Digital Risk Framework» (vgl. Abbildung 1) entwickelt, das von Experten und Mitgliedern von SwissERM überprüft wurde. Es bietet ein Hilfsmittel, um die Risiken der digitalen Transformation zu identifizieren, indem es Finanzrisiken, operative Risiken, Compliance-Risiken und Kundenrisiken (Säulen) in Beziehung setzt zu Digitalisierungstreibern (linke Seite), welche die Unternehmen zwingen können, sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Das Framework beinhaltet Risiken wie tiefe Rentabilität des digitalisierten Geschäftsmodells, Abhängigkeit von externen (IT-)Dienstleistern, Entwendung finanzieller Mittel durch Cyberkriminalität oder Reputationsverlust auf Social Media-Kanälen.
Mehrheit betroffen, differenzierte Risikowahrnehmung
Mehr als drei Viertel der teilnehmenden Unternehmen gehen davon aus, dass sich ihre Branche durch die Digitalisierung in den nächsten drei Jahren verändern wird. Rund 45 % erwarten einen Wandel ihres Geschäftsmodells, der mit einem Transformationsprozess einhergeht (vgl. Abbildung 2). Jedoch rechnet nur jedes fünfte Unternehmen damit, dass die Digitalisierung neue Marktteilnehmer hervorbringt, in erster Linie sind dies Unternehmen aus den Branchen Energieversorgung, Finanzdienstleistung und Technologie.
Die Risiken der digitalen Transformation schätzen 36 % der Unternehmen als hoch bzw. sehr hoch ein. Positiv stimmt, dass 56.3 % die eigene Risikoreaktion als angemessen beurteilen. Insbesondere bei Unternehmen mit 1’000 und mehr Mitarbeitenden findet eine fortschrittliche Risikosteuerung statt (67.2 %). Aber nur ein Drittel der Teilnehmenden gibt an, dass die Mitarbeitenden die Ziele des eigenen Unternehmens hinsichtlich der digitalen Transformation gut bzw. sehr gut kennen.
Barrieren mit erheblichem Risikopotenzial
Bei Veränderungsprozessen treten häufig Barrieren auf, die sich je nach Ausprägung zu bedeutenden Risiken entwickeln können. Bei der digitalen Transformation stehen mit höher gewichteten Prioritäten/Aufgaben (43.6 %) und einer fehlenden Digitalkultur (40.7 %) zwei Barrieren im Vordergrund, deren Ursachen im strategischen bzw. kulturellen Umfeld eines Unternehmens liegen. Auch wurden im Rahmen der Praxiserhebung von 38.2 % der Teilnehmenden veraltete IT-Systeme vergleichsweise häufig als Barriere genannt.
Positiv zu werten ist, dass eine fehlende Motivation der Mitarbeitenden (8.8 %) und eine fehlende Risikobereitschaft (14.7 %) relativ selten genannt werden. Im Durchschnitt erkennt jedes Unternehmen vier Umsetzungsbarrieren. Um negative Folgen von vornherein zu vermeiden, empfiehlt es sich, Vorkehrungen gegen die oft genannten Barrieren einzuleiten. Eine Digitalstrategie zu formulieren, einen Digitalverantwortlichen zu ernennen und die Mitarbeitenden frühzeitig und umfassend zu involvieren und zu schulen, können wichtige Stellschrauben sein.
Operative Transformationsrisiken am relevantesten
In der Praxiserhebung wurden 32 digitale Transformationsrisiken aus dem Digital Risk Framework ins Zentrum gestellt und durch die Teilnehmenden beurteilt. Mit Ausnahme des Risikos «Ausfall der (IT-)Betriebsinfrastruktur» wurden alle Risiken mit einer finanziellen Auswirkung von höchstens «mittel» bewertet. Auch hinsichtlich des Risikoeintritts in den nächsten drei Jahren weist kein Risiko eine Wahrscheinlichkeit von «hoch» oder «praktisch sicher» auf. Dieses Ergebnis legt nahe, dass viele Unternehmen bereits Massnahmen eingeleitet haben. Differenzierter wird das Ausmass der Steuerbarkeit dieser Risiken beurteilt, wobei je etwa die Hälfte der Risiken «teilweise» oder «mehrheitlich steuerbar» sind.
Die Unternehmen schätzen die Finanzrisiken als am wenigsten relevant ein. Die operativen Risiken haben hingegen die höchste Relevanz. Compliance-Risiken und Kundenrisiken weisen eine Mittetendenz auf (vgl. Abbildung 3). Dies lässt darauf schliessen, dass die Konsequenzen der digitalen Transformation noch komplex und schwer abzuschätzen sind. Unternehmen müssen umso mehr alle Risiken regelmässig analysieren, überwachen und zielführende Massnahmen etablieren.
Der ERM Report 2018 «Risiken der digitalen Transformation in Schweizer Unternehmen» kann hier kostenlos heruntergeladen werden. (HSLU/mc/ps)