Unternehmer weder krimineller noch antisozialer als Nicht-Unternehmer

Jena – Sind Unternehmer eine besonders eigennützige Spezies mit eigenen moralischen Vorstellungen und ethischen Prinzipien? Gibt es den unternehmerischen „Homo oeconomicus“ wirklich – einen Typus der zuallererst auf den eigenen Nutzen und Gewinn schaut und sich von ethischen und sozialen Prinzipien lossagt? Und wenn ja: Was macht ihn aus? Diesen Fragen sind Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) gemeinsam mit schwedischen Kollegen der Universität Stockholm nachgegangen.

Bei ihrer Suche nach antisozialen Tendenzen in den Lebensläufen von Unternehmensgründern kam das deutsch-schwedische Wissenschaftlerteam zu verblüffenden Ergebnissen.

Daten von 1000 Kindern aus 40 Jahren
Für ihre Forschung nutzten die Psychologen eine schwedische Längsschnittstudie. In der Untersuchung „Individual Development and Adaptation“ wurden alle Sechstklässler eines Jahrgangs (ca. 1000 Kinder) einer schwedischen Mittelstadt erfasst und über einen Zeitraum von 40 Jahren begleitet. „Wir haben diese Daten auf die Frage hin untersucht, wer von den Studienteilnehmern später Unternehmergeist gezeigt und ein eigenes Unternehmen in der beruflichen Karriere gegründet hat und was diese Personen für ein Sozialverhalten an den Tag gelegt haben“, sagt Dr. Martin Obschonka vom Center for Applied Developmental Science der Universität Jena.

Dazu analysierten die Forscher umfangreiche Daten zu regelwidrigen Verhaltensweisen und Einstellungen der Probanden. Diese antisozialen Tendenzen bezogen sich sowohl auf die Jugend als auch das Erwachsenenalter und es wurden zudem umfangreiche Archivdaten zu polizeilich registrierten und sanktionierten Straftaten ausgewertet.

Antisoziale Tendenzen in den Lebensläufen der Unternehmer nachweisbar
Auf der einen Seite liessen sich in der Tat systematische antisoziale Tendenzen in den Lebensläufen der Unternehmer nachweisen. Unternehmensgründer zeigten im Vergleich zu Anderen, die kein Unternehmen gründeten, verblüffende Wesenszüge. Die späteren Gründer hatten nämlich in ihrer Jugend eine deutlich höhere Tendenz zu regelwidrigem Verhalten in der Schule, zu Hause im Umgang mit ihren Eltern sowie in der Freizeit. Beispiele hierfür waren häufigeres Missachten elterlicher Verbote, häufigeres Schummeln und Schwänzen in der Schule, häufigerer Drogenkonsum oder auch häufigeres unerlaubtes „Mitgehenlassen“ von Dingen in Geschäften. Dieses Ergebnis zeigte sich vor allem bei den männlichen Studienteilnehmern.

„Doch die Studie zeigt eben auch noch eine andere Seite der Unternehmertypen“, so Obschonka. Als Erwachsene gab es hinsichtlich der antisozialen Tendenzen nämlich keine Unterschiede mehr zu den Nicht-Gründern. Zudem verweisen die Daten darauf, dass sich die frühen antisozialen Tendenzen bei den Gründern auf „geringere Vergehen“ beschränken. Die Analysen der polizeilichen Kriminalitätsdaten ergab nämlich, dass sich Unternehmer von Anderen in Bezug auf behördlich geahndetes kriminelles Verhalten nicht signifikant unterschieden – weder in der Jugend noch im Erwachsenenalter. „Die Daten sprechen dafür, dass im Durchschnitt die Unternehmer keine kriminelleren Karrieren haben als die Nicht-Gründer“, erläutert Dr. Obschonka. „Ebenso zeigte sich kein Unterschied in antisozialen Einstellungen“.

Unternehmensgründer verwirklichen Innovation und Visionen
Der Drang zu regelwidrigem Verhalten sei in der Jugend allerdings deutlich vorhanden. „Daraus folge jedoch nicht die Konsequenz, dass im Erwachsenenalter noch immer notorisch Regeln gebrochen und antisoziales Verhalten an den Tag gelegt werden müsse“, sagt Martin Obschonka. Somit entsprechen die gefundenen Verhaltensweisen von Unternehmensgründern eher nicht dem gängigen Vorurteil: „Es wird oft behauptet, dass sie von der Persönlichkeit her eher antisozial und nur auf ihren eigenen Nutzen bedacht sind“, beschreibt der Jenaer Psychologe die Klischees.

Für Unternehmensgründer ist es entscheidend, Innovation und Visionen zu verwirklichen. Um diese ungewöhnlichen und risikobehafteten Wege gehen zu können, gibt es oft eine Nähe zu Nonkonformismus. Dieser Mut zum Ungewöhnlichen und zum Neuen könnte seine Entwicklungsvorläufer im regelwidrigen Verhalten in der Jugend haben. „Wie die Daten nahelegen, führt ein rebellierendes Verhalten gegen gesellschaftlich akzeptierte Normen in der Jugend und ein frühes Infragestellen von Grenzen nicht unbedingt zu kriminellen und antisozialen Karrieren, sondern kann durchaus die Grundlage für späteren produktiven und sozial-verträglichen Unternehmergeist sein“, so Obschonka. Eine Risikoneigung, die sich schon in der Jugend zeigt, spiele dabei eine wichtige Rolle für die späteren Entwicklungen. (CADS/mc/pg)

 

Exit mobile version