US-Sanktionen sollen maximalen Druck auf Iran ausüben
Washington – Mit dem Glockenschlag um Mitternacht haben die USA am Montag schwere Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wieder in Kraft setzen. Die Massnahme ist Folge des US-Austritts aus dem Atomabkommen, das die USA, Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Russland und China sowie die EU mit der islamischen Republik 2015 geschlossen hatten. Washington will den Druck auf Teheran mit Hilfe der Sanktionen maximal erhöhen. Die wichtigsten Fragen zu dem höchst umstrittenen Schritt.
Was will die Regierung von Donald Trump eigentlich bezwecken?
Washington ist – besonders nach der Übernahme der Geschäfte durch die aussenpolitischen Falken, Sicherheitsberater John Bolton und Aussenminister Mike Pompeo – der Auffassung, der Iran müsse unter Zwang zur Räson gebracht werden. Teheran soll sein Raketenprogramm aufgeben und die Unterstützung von Organisationen wie der Hisbollah im Libanon oder der Hamas im Gazastreifen beenden. Insgesamt haben die USA eine Katalog mit zwölf Forderungen an den Iran aufgemacht. Die USA folgen der – international umstrittenen – Darstellung Israels, dass der Iran weiter heimlich an einem Atomwaffenprogramm arbeite. Eine iranische Atomwaffe wäre der Alptraum Washingtons.
Gegen welche iranischen Aktivitäten richten sich die Sanktionen?
Die USA hatten in mehreren Schritten einen ganz Strauss an Sanktionen gegen den Iran verhängt – ausgehend vom Jahr 1979, als iranische Studenten die US-Botschaft in Teheran besetzt und mehrere US-Bürger als Geiseln genommen hatten. Diejenigen Sanktionen, die sich auf das Atomprogramm des Irans bezogen, wurden 2015 in Folge des Abkommens ausgesetzt. Sie werden nun, nach Austritt der USA aus dem Abkommen, wieder eingeführt – und zwar alle, wie das Weisse Haus am Freitag nochmals betonte. Ein erster Schritt mit Massnahmen gegen einzelne Industriezweige ist bereits erfolgt. Nun holt Washington zum bisher schwersten Schlag aus: Der Ölsektor und der Bankensektor – die beiden Lebensadern der iranischen Volkswirtschaft – sowie die Transportbranche mit den wichtigen Häfen sollen praktisch ausgetrocknet werden. Erklärtes Ziel ist es, die Ölexporte des Irans auf Null zu reduzieren.
Können die USA das so einfach machen?
Es ist kein einfaches Unterfangen. Länder wie etwa Indien, nach China zweitgrösster Abnehmer iranischen Öls, sind stark abhängig von den Zukäufen. Regierungsvertreter in Washington räumen ein, dass mit dem 4. November vermutlich nicht völlig Schluss sein wird mit den Ölexporten. Am Freitag erklärte Aussenminister Pompeo, dass acht Länder zumindest zeitweise Ausnahmeregelungen erhalten sollen – wer das ist, will er erst am Montag sagen. Berichte gehen jedoch davon aus, dass die Hauptabnehmer Indien, China, Japan, Südkorea und die Türkei dazugehören. Saudi-Arabien hat nach Angaben von Pompeo zugesichert, zumindest einen Teil der Ausfälle durch Mehrproduktion auszugleichen. Druckmittel der Amerikaner sind Strafen: Wer mit dem Iran nach Eintritt der Sanktionen Geschäfte macht, kann mit den USA keine Geschäfte mehr machen. Da für die meisten vor allem grossen Unternehmen der US-Markt deutlich wichtiger ist als der iranische, beugt man sich dem Diktat der Politik. Die Ölexporte seien schon vor Wiedereinsetzung der Sanktionen um eine Million Barrel pro Tag gesunken.
Was sagen die Europäer dazu?
Länder wie Deutschland, Frankreich und Grossbritannien stecken in einer Zwickmühle. Einerseits wollen sie das von den USA verlassene Abkommen mit dem Iran unter allen Umständen aufrechterhalten. Denn: Es funktioniert. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA, eine unabhängige UN-Organisation, attestiert dem Iran regelmässig, sich an die Bestimmungen aus dem Atomdeal zu halten. Andererseits: Die Europäer erkennen an, dass die USA einen Punkt haben. Die Treue zum Text des Atomdeals heisst keineswegs, dass der Iran nicht ein gefährliches Spiel treibt, etwa im Jemen. Vor allem Israel unterstellt, Teheran schüre den Nahost-Konflikt über die Finanzierung von Gewalt unter anderem der radikal-islamischen Hamas.
Das heisst, die Europäer akzeptieren die US-Sanktionen zähneknirschend?
Nein. Um zumindest einen Teil der Wirtschaftsbeziehungen zum Iran aufrechtzuerhalten, arbeiten EU-Staaten derzeit fieberhaft am Aufbau einer sogenannten Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV). Sie soll den Zahlungsverkehr bei Iran-Geschäften abwickeln, wenn sich private Banken wegen drohender US-Strafen dazu nicht mehr bereiterklären. Die Zweckgesellschaft könnte zum Beispiel sogenannte Bartergeschäfte ermöglichen. Das sind Geschäfte, bei den Waren mit anderen Waren oder Dienstleistungen bezahlt werden und kein Geld fliesst. Diplomaten verweisen aber darauf, dass die geplante Zweckgesellschaft europäische Unternehmen vermutlich nicht vor US-Sanktionen schützen werde können. Sie sei daher vor allem für Unternehmen interessant, die lieber im Iran als in den USA Geschäfte machen wollten und deswegen einen Marktausschluss in den Vereinigten Staaten nicht fürchteten.
Wie ist die Haltung in Teheran?
Der Iran verurteilt das Vorgehen Washingtons und weist alle Vorwürfe zurück. Präsident Hassan Ruhani richtete in einem Beitrag für die «Financial Times» erst am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen die USA. Sie unterstützten ihrerseits Terroristen, um dem Iran zu schaden. Ruhani, der als vergleichsweise moderate Kraft im Iran gilt, forderte den Westen auf, mit dem Iran gegen den neuen Unilateralismus der USA zusammenzuarbeiten. Die grosse Frage ist, was passiert, wenn das erwartungsgemäss nicht geschieht. Sollte der Iran seinerseits das Abkommen aufkündigen, weil die ihm in Aussicht gestellten wirtschaftlichen Vorteile nicht mehr greifen, wäre der Boden für einen offenen Konflikt bereitet.
Hat Donald Trump das im Blick?
Ja. Seine Regierung verfolgt vergleichsweise offen das Ziel, die Verhältnisse im Iran zu verändern. Wenngleich von einem Umsturz höchstens hinter vorgehaltener Hand geredet wird, treten die USA offen für eine Unterstützung iranischer Oppositionskräfte ein. Aussenminister Pompeo sagt etwa: «Wir wollen, dass der Iran ein normales Land wird.» Das würde aber klar einen Systemwechsel bedeuten, weg von der theokratischen Staatsform, hin zu mehr Demokratie. Die Mullahs würden das freiwillig nie hinnehmen – zumal sie nicht ganz zu Unrecht darauf verweisen, dass es die USA und Grossbritannien waren, die 1953 den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh stürzten und dem Schah eine nicht-demokratische Herrschaft ermöglichten. (awp/mc/pg)