Washington / Peking – US-Präsident Donald Trump hat im Streit mit China erneut ernst gemacht und die Sonderzölle auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar erhöht. Ab Freitag gelten Sonderzölle von 25 Prozent statt bisher zehn Prozent. Die Entscheidung wurde vom US-Handelsbeauftragten am Donnerstag offiziell im Bundesregister (Federal Register) veröffentlicht.
Dennoch sollte am Abend eine neue Gesprächsrunde zwischen den Handelsdelegationen beider Länder in Washington beginnen. Die nach Medienberichten rund 100 Personen umfassende chinesische Delegation wird von Vize-Aussenminister Liu He geleitet.
«Abkommen gebrochen»
Unmittelbar vor den neuen Verhandlungen am Donnerstag in Washington warf Trump der chinesischen Führung Wortbruch vor. «Sie haben das Abkommen gebrochen», sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung in Florida. «Das können sie nicht tun.» Aus seiner Sicht hat China bei den Verhandlungen bereits gemachte Zusagen wieder zurückgenommen.
Neben der Erhöhung von Sonderzöllen auf Importe aus China im Wert von 200 Milliarden Dollar auf 25 Prozent droht Trump gar damit, die Zusatzzölle in dieser Höhe auf alle Importe aus China auszuweiten – nach seiner Darstellung beträfe das noch einmal Waren im Wert von 325 Milliarden Dollar. Als Vergeltung kündigte China umgehend «notwendige Gegenmassnahmen» an.
Börsen unter Druck
Der eskalierende Handelsstreit setzte am Donnerstag auch den Börsen zu. Der deutsche Leitindex Dax fiel bis zum Abend um 1,7 Prozent auf rund 11 970 Punkte. Unter anderem wären deutsche Autobauer wie BMW und Daimler , die von ihren Werken in den USA im grossen Stil nach China liefern, von chinesischen «Gegenzöllen» betroffen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht in der Eskalation eine «Bedrohung für die Weltwirtschaft».
«Es gibt keine Gewinner in Handelskriegen», warnte der Sprecher des Handelsministeriums, Gao Feng, am Donnerstag vor Journalisten in Peking. Es sei nicht im Interesse Chinas, der USA und dem Rest der Welt. Er hoffe auf den Dialog zwischen beiden Seiten. «Gleichzeitig ist China voll darauf vorbereitet, entschlossen und in der Lage, seine legitimen Rechte und Interessen zu verteidigen.»
Keine kurzfristige Einigung in Sicht
Die Aussichten, bei den Verhandlungen kurzfristig noch zu einer Lösung zu kommen, waren allerdings schlecht. Beide Seiten sind nach Einschätzung von Experten weit voneinander entfernt. Nach der Ankündigung der neuen Strafzölle am Sonntag schien Chinas Vizepremier Liu He anfangs gezögert zu haben, überhaupt nach Washington zu reisen. Dann hatte er sich aber doch entschieden, wie geplant die Delegation bei den zweitägigen Gesprächen anzuführen. Trump hatte am Mittwoch erklärt, die Chinesen kämen, um einen Deal zu machen.
Trump sagte auf der Wahlkampfveranstaltung am Mittwochabend Ortszeit, es gebe «keinen Druck», ein Abkommen zu schliessen. Zuvor hatte er auf Twitter auch seinen Verdacht geäussert, der Grund für Chinas «versuchte Neuverhandlung» sei Pekings Hoffnung, die Gespräche nach der US-Wahl im kommenden Jahr mit einem «schwachen» demokratischen Präsidenten führen zu können: «Das wird nicht passieren.»
Chinas Staatsmedien demonstrierten eine harte Linie, hielten aber die Tür für Dialog offen. Ein ausgewachsener Handelskrieg werde «nicht nur China allein schaden, sondern auch der amerikanischen Wirtschaft», schrieb die «China Daily». «Die Kunst des Deals besteht darin, ihn zu Ende zu bringen, nicht darin, ihn platzen zu lassen», schrieb das Blatt in einem indirekten Hinweis auf Trump, der sich gerne damit brüstet, gute Geschäftsabschlüsse erreichen zu können. Später war der Kommentar auf der Webseite nicht mehr erreichbar.
«China wird bis zum Ende kämpfen»
«Wenn Washington beabsichtigt, auf den Pfad des Handelskrieges zurückzukehren, wird China bis zum Ende kämpfen», schrieb die vom Parteiorgan «Volkszeitung» herausgegebene «Global Times». Die chinesische Haltung zum Handelskrieg sei klar: «China will ihn nicht; China hat keine Angst davor; China wird ihn starten, wenn es notwendig ist.» Doch hob das Blatt gleichzeitig auch hervor, dass die Unterhändler noch verhandelten: «Sowohl China als auch die USA wollen eine Handelsvereinbarung abschliessen.»
Seit Monaten überziehen sich beide Seiten gegenseitig mit Sonderzöllen, während sich die Verhandlungen über ein Ende des Handelskrieges hinschleppen. Trump hatte sich in der Vergangenheit mehrfach optimistisch geäussert, schon bald ein Handelsabkommen mit China abschliessen zu können. Er hatte allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass die Gespräche noch scheitern könnten.
Strittig scheint besonders der amerikanische Wunsch, Kernforderungen der USA auch in chinesische Gesetze schreiben zu lassen. Zwar segnet der nicht freigewählte chinesische Volkskongress die Vorlagen der kommunistischen Führung immer nur ab, doch kann es ein langwieriges Verfahren sein. Es könnte auch innerhalb des chinesischen Machtapparats Widerstände wecken, den USA so weit entgegenzukommen.
Mit Blick auf ihr grosses Handelsdefizit fordern die USA grösseren Marktzugang in China, einen besseren Schutz von Urheberrechten und Geschäftsgeheimnissen oder auch mehr Bemühungen, um zwangsweisen Technologietransfer von in China tätigen Unternehmen zu verhindern.
Gegenseitiger Handel bricht ein
Die Sonderzölle wirken sich schon spürbar negativ auf den Handel zwischen beiden Ländern aus. Während im April der chinesische Warenaustausch mit Deutschland und Europa stieg, sackte der Handel mit den USA um 15,7 Prozent ab. Die chinesischen Ausfuhren in die USA fielen um 9,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, während Chinas Importe an US-Waren sogar um 30,4 Prozent zurückgingen.
Das Handelsdefizit der USA weitete sich zwar im März nach offiziellen Angaben im Vergleich zum Februar nochmals auf 50,0 Milliarden Dollar aus – im Februar waren es noch 49,3 Milliarden. Nimmt man allerdings die ersten drei Monate des Jahres im Vergleich zu vor einem Jahr, wurde das Handelsdefizit der USA deutlich kleiner. (awp/mc/ps)